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am Rande mit langen Drüsenhaaren besetzt, denen ein klebriger Saft entquillt. So-
bald nun ein Insekt, durch den Saft angelockt, das Blatt berührt, wird es zunächst
durch die klebrige Masse festgehalten. Dann aber biegen sich die Haare um und
schließen das Tier von allen Seiten ein. Erst nach einigen Tagen öffnet sich das
Blatt wieder, und nun findet man nur noch die harten Uberreste des Tierchens;
denn die Weichteile sind von dem Safte aufgelöst und von den Blättern eingesogen
worden. Man nennt solche Pflanzen insekten= oder fleischfressende Pflanzen.
65. Hagebutten und Schlafäpfel. II. (S. 195.)
1. Hagebutte. Der Rosenmonat ist zwar dahin, und die Rosenstöcke sind
ihrer duftigen Blüten längst entkleidet. Aber auch noch im Herbste gewährt uns die
Hundsrose einen herrlichen Anblick, wenn sie sich in den Scharlachmantel ihrer roten
Früchte gehüllt hat. Die rote Farbe lockt Vögel an, die die Früchte fressen und den
Samen ausbreiten. Die Früchte führen den Namen „Hagebutten“. (Hag = lebendige
Hecke, Butte = tonnenartiges Gefäß.) Die Butte umschließt als Schutzhülle eine
Menge birnenförmiger Nüßchen. Sie sind aus den Fruchtknoten entstanden und zwischen
borstenartigen Haaren eingebettet. Man verwendet die Hagebutten zu Suppen.
2. Schlafäpfel. An einigen Rosenstöcken bemerken wir rundliche Auswüchse,
die mit moosartigen Gebilden bedeckt sind. Man nennt sie Rosenäpfel. Sie ent-
stehen durch den Stich der Rosengallwespe. Diese sticht mit ihrem Legebohrer im
Mai und Juni die jungen Triebe an und legt in die Stichwunde ein oder mehrere
Eier. Durch Ei und Made, besonders durch den Saft, den die Made absondert, wird
der Trieb gereizt und so eine Anschwellung erzeugt, worin die aus dem Ei entstandene
Larve lebt. Im Herbste ist die Galle reif, aber die Gallwespe arbeitet sich erst
im nächsten Frühjahre aus dem Gefängnis hervor. — Früher glaubte man, durch
solche Apfel schreiende Kinder zum Schlafen bringen zu können, und legte sie
ihnen unter das Kopfkissen. Man nannte die Apfel daher Schlafäpfel.
66. Der Holunderstrauch und sein Gast, das Rot-
kehlchen. II. (S. 197.)
1. Holunderbeere. Gegen den Herbst bedeckt sich der Holunder über und über
mit kohlschwarzen Beeren. Vergleichen wir die Holunderbeere mit einer echten
Beere, z. B. mit der Heidel= oder der Weinbeere (S. 213), so werden wir in dem
Bau der Beeren einen nicht unbedeutenden Unterschied finden. Bei der Heidelbeere
liegt nämlich der Same in dem Fruchtbrei; bei dem Holunder ist der Same aber
erst noch von einer harten Steinschale umschlossen, so daß jeder Samenkern seinem
Bau nach an einen Kirschkern erinnert. (S. 174.) Ferner hat sich die Holunderbeere
nicht wie die Heidelbeere allein aus dem Fruchtknoten, sondern auch aus dem Kelche
entwickelt. Wir können dies deutlich an den Beeren erkennen, da jede noch die
Spuren des Kelches trägt. Die Hausfrau verwertet die Holunderbeeren zu Suppen
und Mus. Auch wird der Saft zur Färbung des Weines benutzt.
2. Besuch des Rotkehlchens. Die Holunderbeeren bilden für manche Vögel
eine leckere Kost. Besonders stellen sich Amsel und Rotkehlchen hier gern als Gäste
ein. Die schwarze Farbe der Beeren macht sie ihnen von weitem kenntlich, und
durch die roten Stiele fallen sie noch mehr in die Augen. Dem Rotkehlchen aber
bringt die Holunderbeere nicht selten den Tod. Wenn die Herbstnebel sich ein-
stellen, dann ziehen böse Knaben mit Sprenkeln und Holunderbeeren hinaus in den
Wald, um dort die armen Rotkehlchen zu fangen. Ach, wie schrecklich ist meist
das Los eines solchen armen Gefangenen! Nicht selten zerschlägt ihm der Sprenkel
ein Bein — oder das Vöglein geht in der Stube, wo es die Fliegen wegschnappen
Realienbuch, B. 14