Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch.

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war abschüssig und glatteisig. Die Männer krochen auf Händen und Füßen und 
waren in beständiger Angst, in den gähnenden Abgrund hinabzurollen. Die 
Königin und ihre Kammerfrau wurden in Rinderhäute gewickelt und so von den 
Führern hinabgezogen. Den Pferden band man die Füße zusammen und ließ 
sie an Stricken hinab. Endlich — endlich kam man in der Ebene an. Der Papst 
befand sich gerade infolge einer Einladung der deutschen Fürsten auf dem Wege 
nach Deutschland. Dort sollte er auf einer Reichsversammlung die Sache Hein— 
richs entscheiden. Als er von der Ankunft Heinrichs hörte, erschrak er. Er 
fürchtete nämlich, Heinrich käme, um sich zu rächen. Daher floh er in das feste 
Schloß Kanossa. Aber Heinrich ließ ihm erklären, daß er nur komme, um für 
seine vielen Vergehen Kirchenbuße zu thun. Lange zweifelte Gregor an der 
aufrichtigen Bußgesinnung Heinrichs. Endlich aber gestattete er ihm, daß er nach 
Kanossa komme und dort Buße thue. Nach einigen Tagen sprach dann Gregor 
den Kaiser vom Banne los und söhnte sich vollständig mit ihm aus. 
6. Rudolf von Schwaben. Inzwischen hatten die deutschen Fürsten den 
Herzog Rudolf von Schwaben zu ihrem Könige gewählt. Mit flammendem Zorne 
kehrte deshalb Heinrich nach Deutschland zurück. Da sich mehrere Fürsten und 
namentlich die nach größerer Freiheit strebenden Städte auf seine Seite stellten, so 
kam es zu einem gräßlichen Bürgerkriege. Rudolf wurde schließlich von Heinrich 
bei Merseburg angegriffen und in der Schlacht tödlich verwundet, auch wurde ihm 
die rechte Hand abgehauen. Als ihm diese gezeigt wurde, soll er reumütig aus— 
gerufen haben: „Das ist die Hand, mit der ich Heinrich den Eid der Treue 
schwur.“ Noch heute zeigt man diese Hand im Dome zu Merseburg. 
7. Heinrichs Ende. Heinrich IV. mußte es noch erleben, daß sich sein eigner 
Sohn Heinrich gegen ihn empörte und ihn sogar hinterlistigerweise gefangen nahm. 
Zwar gelang es dem Vater zu entfliehen; aber bald darauf starb er, gebrochen an 
Leib und Seele, zu Lüttich (1106). Mit seinem Sohne Heinrich V. erlosch das 
fränkische Kaiserhaus. 
VI. Die Kreuzzüge und das Rittertum. 
15. Der erste Kreuzzug. 1096 - 1099. 
1. Wallfahrten. Schon seit dem 4. Jahrhundert war die Sitte herrschend 
geworden, Wallfahrten nach dem heiligen Lande zu unternehmen, um am Grabe 
des Erlösers zu beten und im Jordan zu baden. Der Priester kleidete den Pilger 
in ein langes Pilgergewand und versah ihn mit Kreuz, Pilgertasche und Pilger— 
stab. In allen christlichen Ländern konnten die Pilger auf gastfreie Aufnahme 
rechnen, und so lange die Araber im Besitze des heiligen Landes waren, durften 
sie ungehindert gehen und kommen. Als aber im 11. Jahrhundert die Türken Herren 
des Landes wurden, hatten die Pilger viele Drangsale auszustehen; sie wurden 
beraubt, mißhandelt und zuweilen sogar getötet. 
2. Peter von Amiens. Immer lebhafter wurde daher der Wunsch der 
Christen, das Grab des Erlösers von den Türken zu befreien. Aber erst unter 
Papst Urban kam der erste Kreuzzug zu stande (1096). Nach der Sage hat der 
Einsiedler Peter von Amiens (amjäng) die weiten Schichten des Volkes für den 
Kreuzzug begeistert. Im Jahre 1093 machte er nämlich eine Wallfahrt nach 
Jerusalem. Als er einst am heiligen Grabe betete, vermeinte er die Stimme des 
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