Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

Erziehungshäuser. 
gung aller Landesteile. Ueber die Aufnahmegesuche 
und deren Erfordernisse ist das Nähere jeweils aus 
dem amtlichen W. Landeskalender zu entnehmen. 
Die einzige Leistung für die Aufnahme besteht in 
einem an die Anst Kasse ein für allemal von den 
Versorgungspflichtigen zu entrichtenden bescheide- 
nen Eintrittsgeld, sog. Kleidergeld, dessen Betrag 
die Oberschulräte mit Genehm. des Min. fest- 
setzen. Vom Eintritt an sorgt dann die Anst. für 
Unterhalt (auch Krankheitspflege), Erziehung und 
Unterricht des Zöglings bis zur Erfüllung der 
Volkschulpflicht. Den austretenden Zöglingen wird 
ür ihr Fortkommen durch Unterbringen in einen 
ienst oder durch Ausbildung in einem Beruf, 
bes. Unterbringen in einer Lehre unter Mitgabe 
einer Kleiderausstattung gesorgt, und sie stehen 
auch bis zum Abschluß der Lehre oder sonst. be- 
ruflichen Ausbildung unter AnstAufsicht und 
Leitung, vgl. a. Verf. d. Min Just. und Min.= 
KSch. 3. 9. 18 b. die Berufsvormundschaft 
des Vorstands des Waisenhauses in Stuttg., Min.= 
JuftAbl. 13 722. Aus wohltät. Gaben wird für 
die Kinder ein Sparpfennig in bes. Verwaltung (s. 
Sparhafen) angesammelt, der ihnen aber außer 
in Notfällen erst mit erreichter Volljährigkeit frei 
zur Verfügung gestellt wird. Jedes W. hat seinen 
eigenen Vorstand und seine eigene Volkschule mit 
entspr. Lehrkräften (diej. in Markgröningen ist zu- 
gleich Uebungschule für das unter ders. Leitung 
stehende und räumlich verbundene Lehrerinnen- 
seminar); außerdem das sonst für Verwaltung, 
Aufsicht und Haushalt erforderliche Personal. — 
Die WVerwaltungen geben Jahresberichte aus, in 
welchen regelmäßig auch allg. Anst Fragen neben 
bes. Vorkommnissen behandelt werden (für Stutt- 
gart-Markgröningen erschien 1913 das 197. Heft). 
— II. Staatl. Taubstummenanstalten, 1 Min J.= 
Bek. 28. 1. 28, Rgbl. 192; Bek. d. Oberschulräte 
8. 2. 12, Abl. Min KSSch. 36, find in Gmünd 
(Hauptanst. seit 1828, Filial- und jetzt Privat- 
taubst Anst. seit 1869), Bönnigheim (seit 1889, 
vorher, und zwar seit 1825, in Eßlingen) und 
Nürtingen (1846). Die Anst. in Gmünd und Bön- 
nigheim sind Internate, in Nürtingen (mit welcher 
Anst. die in Nagold von 1887/1911 bestandene jetzt 
vereinigt ist) sind die Kinder in Pflegehäusern in 
der Stadt gegen Kostgeld untergebracht. Jede der 
8 Anst. ist zur Aufn. von 60 Zögl. bestimmt. 
Außerdem werden kath. taubst. Kinder als Staats- 
öglinge in die von der Kongregation der Barmh. 
western in Untermarchtal errichtete und 
unterhaltene Privattaubst Anst. (St. Joseph) in 
Gmünd gegen ein vom Staat bezahltes Kostgeld 
untergebracht. Neben den im übrigen von der 
Kongregation gestellten weiblichen Lehrkräften ist 
dort ein staatl. Oberlehrer angestellt. Die Anst. 
in Nürtingen steht mit dem dortigen Schullehrer- 
seminar insoweit in Verbindung, als den Semi- 
naristen Gelegenheit gegeben wird, sich mit dem 
Taubst Unterricht bekannt zu machen, vgl. über die 
kühere Einrichtung Pfisterer, Denkschr. zur Er- 
sfnung des Seminars Nagold (1881) S. 56, 
auch die Denkschr. z. 50jähr. Feier des Seminars 
Nürtingen (1893) S. 20 u. 44. Von Zeit zu Zeit 
  
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werden Berichte über die staatl. Taubst Anft. aus- 
gegeben (1890 der 5., 1908 der 6.) Auf- 
nahme in die Taubst Anst. finden taube 
oder mit Restgehör ausgestattete Kinder, die in- 
folge dieses ihres Gebrechens (jedoch nicht infolge 
Schwachsinns) die Sprache nicht oder nur unvoll- 
kommen lernen und darum die Volkschule nicht be- 
suchen können. Der Eintritt soll i. d. R. im 
7. Lebensj. erfolgen, vorausgesetzt, daß das Kind 
körperlich und geistig genügend entwickelt ist. Die 
regelmäßige Bildungszeit, für welche die Kinder 
in der Anst. bleiben, dauert jetzt 8 J. Nicht aus- 
geschlossen ist eine Aufnahme von später ertaubten 
noch schulpflichtigen Kindern, denen damit Erler- 
nen des Absehens und Fortsetzung ihrer Schul- 
bildung ermöglicht wird. Das Schulj. beginnt im 
Monat Mai und die durch die Zahl der verfüg- 
baren freien Plätze begrenzte Aufn. erfolgt wie 
bei den Waisen im Frühjahr durch den zuständigen 
Oberschulrat auf Grund der spätestens im April 
dahin eingereichten Gesuche. (Ueber deren Er- 
fordernisse s. ebenfalls den bei I. erw. staatlichen 
Kalender.) Nicht selten werden solche Gesuche noch 
durch die Beh. veranlaßt, wenn diese durch die 
jährl. Statistik aufmerksam darauf gemacht wird, 
daß irgendwo ein bildungsfähiges taubstummes 
Kind dem Taubftlinterricht noch nicht zugeführt ist. 
— Für die aufgenommenen Kinder ist an die betr. 
AnstKasse neben einem einmaligen Kleidergeld 
(30 4) ein jährl. Verpflegungsgeld von den Ver- 
sorgungspflichtigen (Cjährl. voraus) zu entrichten, 
dessen Normalbetrag (210 4) bei Bedürftigkeit er- 
mäßigt werden kann. (8Zögl., die nur Unterricht 
in der Anst. genießen, haben ein Schulgeld (80 4) 
zu bezahlen.) Der ausgenommene Zögl. erhält auf 
Anst Kosten Unterhalt und Kleidung, soweit tunlich 
spezialärztliche Behandlung, auch Pflege in leich- 
teren Krankheitsfällen, und den Taubstlnterricht, 
für den im Zusammenhang mit Erstreckung der 
Bildungszeit auf 8 J. im Jahr 1907 ein neuer 
Lehrplan festgestellt worden ist. Ergibt sich bei 
einem Kind nach etwa halbjähr. Probe Bildungs- 
unfähigkeit, so wird es den Angehörigen. zurück- 
estellt. Die nach Abschluß der Bildungszeit ent- 
assenen Zöglinge und ihre Angehörigen werden 
wegen Berufswahl oder sonstigen Unterkommens 
von der Anst. aus beraten, und es werden nach 
Umständen auch Beiträge für Lehrgeld aus Anst.= 
Mitteln verwilligt. — Auch für Fortbildung der 
Taubst. sind Einrichtungen getroffen, indem, falls 
am Sitz einer Anst. eine Mehrzahl von Taubst. im 
fortbildungschulpftichtigen Alter vorhanden ist, 
diesen von den Anst Lehrern bes. Unterricht erteilt 
wird. Der Erhaltung des Gelernten und der Fort- 
bildung auch in späteren Jahren dienen regel- 
mäßige teils allg. bildende teils religiöse Vorträge, 
die in einigen größeren Städten für erwachsene 
dort oder in der Umgebung wohnende Taubst. von 
Anst Lehrern gehalten werden. Endlich werden mit 
bes. Rücksicht auf das Leseverständnis der Taubst. 
von dem Vorstand der Anst. in Gmünd unter Mit- 
wirkung der Lehrerschaft monatlich „Blätter für 
Taubst. herausgegeben. Der Weiterbildung und
	        
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