Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

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§ 663. Anfechtung eines Entmündigungsbeschlusses 
ist binnen Monatsfrist zulässig, § 664 f., im Weg 
der Klage beim Landgericht. Spätere Wieder- 
aufhebung kann der Entmündigte selbst oder sein 
gesetzl. Vertreter beim Amtsgericht beantragen, 
§ 675, nach Ablehnung im Wege der Klage, § 686. 
— Ein Volljähriger, der nicht unter Vormundschaft 
steht, infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen 
aber einzelne seiner Angelegenheiten oder einen 
bestimmten Kreis seiner Angelegenheiten, bes. 
seine Vermögensangelegenheiten nicht zu besorgen 
vermag, kann für diese Angelegenheiten einen 
Pfleger erhalten. Die Pflegschaft darf nur mit 
seiner Einwilligung angeordnet werden, es sei 
denn, daß eine Verständigung mit ihm nicht mög- 
lich ist, BGG#B. § 1910. Eine solche Pflegschaft ist 
vom Vormundschaftsgericht wieder aufzuheben, 
wenn der Grund für ihre Anordnung weggefallen 
ist oder wenn es vom Pflegbefohlenen beantragt 
wird, § 1919, 1920. — II. Wer in einem die freie 
Willensbestimmung ausschließen- 
den Zustand krankhafter Störung der 
Geistestätigkeit einem andern Schaden zufügt, 
ist dafür nicht verantwortlich, BGB. #§ 827, 
wohl aber ist zum Schadenersatz verpflichtet, 
wer kraft Gesetzes oder Vertrags die Auf- 
sicht über einen solchen Kranken zu führen hat, es 
sei denn, daß er seiner Aufsichtspflicht genügt hätte 
oder daß der Schaden auch bei gehöriger Aufsicht 
entstanden sein würde, BGB. § 832. — III. Eine 
Ehe ist nichtig, wenn einer der Ehegatten 
zurzeit der Eheschließung geschäftsunfähig oder 
vorübergehend geistesgestört war, wenn sie nicht 
etwa nach Wegfall dieses Grundes rechtzeitig von 
dem Betreffenden bestätigt worden ist, BG#. 
§ 1325. War die Eheschließung oder die Bestäti- 
gung von einem in der Geschäfwfähigkeit Be- 
schränkten erfolgt, ohne die Zustimmung seines 
ges. Vertreters, so kann sie angefochten werden, 
BGB. § 1331, 1336. Anfechtbar sind Ehen, wenn 
sich der eine Ehegatte über persönliche Eigen- 
schaften des anderen, die ihn bei Kenntnis der 
Sachlage und bei verständiger Würdigung des 
Wesens der Ehe vor deren Eingehung abgehalten 
haben würden (z. B. überstandene Geisteskrank- 
heit), geirrt hat, BS. §5 1333, oder wenn er 
über entsprechende Umstände arglistig getäuscht 
worden war, BGB. 1334. — Auf Eheschei- 
dung kann geklagt werden, wenn der andere Ehe- 
gatte in Geisteskrankheit verfallen ist, die Krank- 
heit während der Ehe mindestens 3 Jahre gedauert 
und einen solchen Grad erreicht hat, daß die gei- 
stige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten auf- 
gehoben, auch jede Aussicht auf Wiederherstellung 
dieser Gemeinschaft ausgeschlossen ist, BGB. 
§ 1569. Der gesunde Ehegatte hat im Fall der 
Scheidung dem kranken in gleicher Weise Unter- 
halt zu gewähren, wie ein allein für schuldig er- 
klärter Ehegatte, BG . § 1583. — IV. Zum Eid 
können unter Umständen auch Geisteskranke zu- 
gelassen werden. Denn unbeeidigt sind nur zu 
vernehmen Personen, die wegen mangelnder Ver- 
standesreife oder wegen Verstandesschwäche vom 
Wesen und der Bedeutung des Eides keine ge- 
  
Israeliten. 
nügende Vorstellung haben, ZPrO. 8 883, StPrO. 
§ 56, was bei Geisteskranken keineswegs immer 
zutrifft. —V. Hinsichtlich der strafrechtlichen 
Verantwortlichkeit bestimmt der § 51 des 
St GB.: Eine strafbare Handlung ist nicht vor- 
handen, wenn der Täter zurzeit der Begehung der 
Handlung sich in einem Zustande von Bewußtlofig- 
keit oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit 
befand, durch welchen seine freie Willensbestim- 
mung ausgeschlossen war. Die Entscheidung wird 
also von Fall zu Fall erfolgen meist nach vor- 
heriger gerichtsärztlicher Begutachtung. Verursacht 
sie Schwierigkeiten, so kann auf Antrag des Ge- 
richtsarzts Beobachtung in einer öff. Irrenanstalt 
für höchstens 6 Wochen angeordnet werden. So- 
fortige Beschwerde mit aufschiebender Wirkung ist 
zulässig, StPr O. § 81.— Erachtet das Gericht die 
Voraussetzungen des § 51 St GB. für zutreffend, 
so kann unter Einstellung des Verfahrens der An- 
geschuldigte außer Verfolgung gesetzt, St Pr . 
§ 188, 196 u. 202, und wenn nötig, der zuständigen 
PolBeh. zu angemessener Fürsorge übergeben wer- 
den. Ist ein Angeschuldigter während des Ver- 
fahrens in Geistesstörung verfallen, so hat dessen 
vorläufige Einstellung zu erfolgen, St Pr O. § 203. 
Ist er nach der Verurteilung erkrankt, so ist die 
Vollstreckung einer Freiheitstrafe aufzuschieben, 
St PrO. § 487; ein Todesurteil darf an einem 
Geisteskranken nicht vollstreckt werden, St Pr. 
§s485. — VI. Der Mißbrauch geisteskranker 
Frauenspersonen zum außerehelichen Beischlaf ist 
durch § 176, 2 des St GB. mit besonderer Strafe 
bedroht. Als schwere Körperverletzung gilt es nach 
§ 224 des St GB. u. a., wenn der Verletzte zu Folge 
derselben in Geisteskrankheit verfällt. — C. Auch 
überstand. Geisteskrankh. macht zum Dienst 
im Heer dauernd unbrauchbar, DienstAnw. z. 
Beurt. d. Militär-Dienstfähigkeit v. 8. 4. 77 Anl. 4, 
Z. 18. Kreuser. 
Israeliten. Die öff. kirchl. Verhältnisse der isr. 
Glaubensgenossen sind durch das am 1. 10. 12 in 
Kraft getretene G. b. die israelitische Re- 
ligionsgemeinschaft (Israeliten G.) 8. 7. 
12, Rabl. 224, und die zugehör. Kirchenverfassung 
6. 9. 12, Min K Sch Abl. 296, i. S. der Selbstverwal- 
tung gegenüber dem bis dahin geltenden Isr G. 
von 1828 mit seinem stark ausgeprägten Staats- 
kirchentum angeordnet worden. Darnach ist die isr. 
Religionsgemeinschaft eine Körper- 
schaft des öff. Rechts. Sie ordnet und ver- 
waltet ihre kirchl. Angelegenheiten vorbeh. der von 
dem Min #ch. auszuübenden Staatsaufsicht selb- 
ständig nach Maßgabe einer von der Isr. Ober- 
kirchenbehörde aufgestellten Kirchenverfassung. 
Aenderungen dieser Verfassung bedürfen der K. 
Genehmigung. Die Oberleitung der kirch- 
lichen Angelegenheiten der israelitischen RG. 
kommt der JIsr. Oberkirchenbeh. zu, die 
aus einem engeren und einem weiteren Rat be- 
steht und ihren Sitz in Stuttgart hat. Die Mitgl. 
des engeren Rates (7) werden, soweit sie besoldet 
sind (der Vorsitzende, das theologische Mitgl., das 
zum Richteramt befähigte Mitgl.), vom König auf 
Lebenszeit, die 4 übr. (die Oberkirchenvorsteher)
	        
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