Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

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für jedes junge Säugetier die ihm jeweils zu- 
sagendste Beschaffenheit. Durch richtige, seit Jahr- 
tausenden betriebene Auswahl der milchergiebigsten 
Tiere zur Zucht, durch reichliche Fütterung, sorg- 
fältige Pflege und fleißiges Melken ist es all- 
mählich gelungen, die MErgiebigkeit bei einer 
Reihe von Haustierarten ganz bedeutend zu 
steigern. Namentlich bei der Kuh, Ziege, dem 
Schaf, Büffel, Kamel, Renntier, Pferd und Esel. 
Wird bei der Verwilderung dieser Tiere (z. B. 
Südamerika) oder auf kümmerlicher Weide sorg- 
fältiges Ausmelken unterlassen, so nimmt bei 
ihnen die Mérgiebigkeit rasch wieder ab. 
Während der jährl. MErtrag bei Kühen von 
Naturrassen nur 400—600 Liter beträgt, steigt 
derselbe bei unseren Kulturrassen auf 5000 und 
mehr Liter. Die Bedeutung, die der mechanische 
Reiz der Euterentleerung (Massage) auf die Ab- 
sonderung des Euterdrüsensekrets ausübt, geht 
am deutlichsten aus der bekannten Erscheinung 
hervor, daß auch bei plötzlicher Unterbrechung des 
Melkens dieser Reiz nach längerer Zeit derart 
fortwirkt, daß die Hohlräume des Euters die M. 
nicht mehr zu fassen vermögen und sie von den 
Schließmuskeln der Zitzen nicht mehr zurückgehalten 
werden kann, daher unter großem Druck heraus- 
spritzt und daß selbst von jungfräulichen Tieren 
durch systematisches Drücken und Kneten des 
Euters, fleißiges Ausmelken oder Aussaugen nicht 
unbeträchtliche M#engen gewonnen werden 
können. — Die MBildung vollzieht sich im 
Euter unter dem Einfluß des Nervensystems bei 
entspr. Blutzufluß und Blutdruck; aber über die 
chemische Seite dieses Vorgangs ist noch recht 
wenig Sicheres bekannt. Jedenfalls verwandeln 
sich hier nicht einfach Blutbestandteile in die entspr. 
Mestandteile (Traubenzucker in Mzucker, Fibrin 
des Blutes in Casein der M. usw.), vielmehr ist 
mind. ein Teil der MBestandteile auf den Zerfall 
von Drüsenmasse zurückzuführen, so daß auch das 
Kalb während der ersten Lebensmonate „Fleisch- 
fresser“ ist. Jedenfalls trifft dies beim Casein 
(Käsestoff), einem sog. Nucleoalbumin, zu. Dafür 
spricht das Auftreten der sog. Kolostralkörperchen, 
meist von maulbeerförmigem Aussehen in der M. 
neumelker Tiere, an denen sich die organisierte 
Struktur noch deutlich erkennen läßt. Nach Ver- 
suchen aus neuester Zeit beginnt eine aus ihrer 
ursprünglichen Lage z. B. in die Ohrmuschel ver- 
pflanzte MDrüse beim Eintritt der Geburt auch 
hier mit der Absonderung von M. und wird sogar 
von neugeborenen Tieren beiderlei Geschlechts in 
der Milchdrüse eine milchähnliche Flüssigkeit ab- 
gesondert, im Volksmund Hexenmilch genannt. 
Nach der Ansicht Raubers wird ein Teil der 
Milchbestandteile den Lomphgefäßen, die während 
der Laktationsperiode stark angefüllt sind, bzw. den 
weißen Blutkörperchen entnommen. Die M. ist 
aMuch keineswegs äin physikalischer 
und chemischer Beziehung immer 
gleich bleibendes Absonderungs 
produkt, vielmehr weist sie recht wesentliche 
Unterschiede auf, die hauptsächlich zurückzuführen 
sind auf Tierart, Rasse, individuelle Veranlagung, 
Milch. 
Fütterung, Klima, Häufigkeit und Art des 
Melkens usw. So liefern alle Wiederkäer eine 
an Casein, Fett und Aschenbestandteilen reiche, 
aber verhältnismäßig wenig Milchzucker ent- 
haltende M., während beim Menschen, Hund, 
Schwein, Pferd und Esel das umgekehrte Verhält- 
nis besteht. Ebenso machen sich recht wesentl. 
Unterschiede bemerkbar in bezug auf die Farbe der 
M., die Größe der Fettkügelchen und die Art, wie 
der Käsestoff gerinnt. Große Fettkügelchen ermög- 
lichen ein rasches und vollständ. Aufrahmen der M., 
während kleine Fettröpfchen und die Ausfällung 
des Caseins in ein feinflockiges Gerinnsel eine 
leichtere Verdaulichkeit der M. bedingt, was 
namentlich für die Kinderernährung sehr wichtig 
ist. — Normale M. der Wiederkäuer reagiert 
ampboter, d. h. färbt rotes Lakmuspapier blau und 
bloues rot. Sie hat bei 15° C. ein Sifisches 
Gewicht von 1,026—1,038; diese Schwankung 
bei der M. einer einzelnen Kuh vermindert sich 
aber in einem Gemenge von M. mehrerer Tiere 
(etwa 4) auf 1,029—1,033 und steigt in den ersten 
Tagen nach der Geburt auf 1,040—1,080. Ent- 
rahmte M. ist um so schwerer, je vollständiger ihr 
das Fett entzogen ist, wie bei zentrifugierter M. 
Der Rahm ist um so leichter, je mehr Fett er 
enthält. Bei den in Süddeutschland und der. 
Schweiz vorherrschenden Gebirgsrinderrassen 
(Simmentalern und Allgäuern) enthält die M. 
durchschnittlich 87,5 v. H. Wasser, 3,5 v. H. Fett, 
3,5 v. H. Proteinkörper (stickstoffhaltige Substanz, 
hauptsächlich Käsestoff und Eiweiß), 4,6 v. H. M.= 
Zucker und 0,9 v. H. Aschen-(Mineral bestandteile. 
Der Jahresertrag an M. beträgt das 4—fache des. 
Lebendgewichts der Kuh. Die Niederungsrassen 
(Holländer, Ostfriesen, Angler) liefern zwar eine 
größere Literzahl, aber eine an Trockenfubstanz und 
Fett etwas ärmere M., so daß der Jahresertrag 
an Butter und Käse nicht viel günstiger als bei 
Gebirgsvieh auszufallen pflegt. Bei Ziegen 
erreicht die jährliche MMenge das 10—öfache des 
Lebendgewichts; ihre M. enthält 14—15 v. H. 
Trockensubstanz, 4—7 v. H. Fett, 4—5 v. H. Protein, 
4—5 v. H. Mzucker und 0,7—0,8 v. H. Aschen- 
bestandteile, rahmt wegen des geringen Durch- 
messers ihrer Fettkügelchen langsam und unvoll- 
kommen aus und eignet sich desh. sowie wegen ihrer 
etwas schleimigen Beschaffenheit und des niederen 
Schmelzpunkts ihres Fettes weniger zur Butter- 
bereitung, wohl aber zum Verkäsen und namentlich 
zum frischen Konsum (besonders als Kinder- 
milch) auch deshalb, weil die Tuberkulose, 
die unter dem Rindvieh sehr verbreitet ist, 
bei der Ziege gar nicht oder doch nur 
äußerst selten auftritt. Der eigentümliche Geruch 
der meisten Ziegenmilch ist auf Hautausdünstung 
zurückzuführen, und teilt sich der M. während 
des Melkens mit. Aehnliche Zusammensetzung hat 
die M. von Schafen. Diiese ist sogar oft noch 
reicher an wertvollen Bestandteilen (Trockenfubst. 
15—20 v. H., Fett 3—10 v. H., Protein 5—6 v. H.), 
wird in nicht zu unterschätzender Menge namentlich 
von ostfriesischen und holländischen sog. MSchafen 
geliefert und meist mit Ziegen= und Kuh M. zu-
	        
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