Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

Milchgefäße — Milchuntersuchung. 
des Mittelalters eine ungemein wichtige Rolle ge- 
spielt, da man ihre Ursachen und geeignete Be- 
kämpfungsmethoden damals nicht kannte. Beim 
Auftreten eines M. ist es vor allem wichtig, jede 
Kuh für sich zu melken, um feststellen zu können, 
welches Tier die fehlerhafte Milch liefert und die 
Weiterverbreitung des M. möglichst bald und ener- 
gisch zu verhindern. Selbstverständlich müssen 
dann nach dem Melken jeder Kuh die Hände des 
Melkers und alle benützten Gerätschaften durch 
Waschen mit möglichst heißer, konzentrierter Lauge 
besinfiziert werden. Am häufigsten tritt auf: 
farbige, vorzeitig gerinnende (läsig werdende), 
blähende, schwer aufrahmende und schwer zu ver- 
butternde, schleimige (fadenziehende), faulig sich 
zersetzende, bittere und sandige Milch. Farbige 
Veränderungen waren früher, als es noch all- 
gemein üblich war, die Milch zum Zweck der 
Rahmausscheidung in flachen Gefäßen und Milch= 
kammern längere Zeit aufzubewahren, besonders 
leicht wahrnehmbar und gefürchtet, find aber sel- 
tener geworden, seit die Entrahmung der Milch 
mittels Zentrifugen (s. Rahmgewinnung) große 
Verbreitung gefunden hat. Das Blauwerden der 
Milch wird meist durch das Auftreten des Bacillus 
cyanogenes Hüppe veranlaßt, der aber nur in 
leicht angesäuerten Flüssigkeiten gedeiht. In diesem 
Stadium der natürlichen Milchsäuerung treten an 
der Oberfläche der kranken Milch erst kleine bläu- 
liche Flecken auf, die sich rasch seitlich und nach 
der Tiefe zu so lange ausdehnen, bis die Milch 
geronnen ist. Man hat daher in der Praxis ent- 
weder die spontane Milchsäuerung möglichst lange 
hintanzuhalten gesucht durch rasches und tiefes 
Abkühlen unmittelbar nach dem Melken und durch 
Kühlhalten der Milch oder umgekehrt durch so- 
fortiges starkes Ansäuern derselben durch Zusatz 
von saurer Milch, Buttermilch, Milchsäure, Salz- 
säure usw. Anwendung von Kälte ist auch dann 
angezeigt, wenn der erst neuerdings entdeckte 
zweite Erreger der Blauen Milch: Bac. cyaneo- 
fluorescens sich eingenistet hat, dessen Entwick- 
lungsoptimum zwischen + 25—300 C. liegt. Ver- 
anlassung zur Rotfärbung der Milch kann zwar 
gegeben werden durch Beimischung von Blut 
(Durchschwitzen im Euter oder Platzen kleiner 
Blutgefäße in Folge von starkem Blutandrang 
während der ersten Laktationsperiode sehr milch- 
reicher Tiere oder bei mechanischen Verletzungen) 
sowie durch Verfütterung rotfärbender Pflanzen 
(Krapp). In ersterem Fall hat sich in der Milch 
nach 24 stündigem ruhigem Stehen ein deutlicher 
Bodensatz gebildet, während die Färbung der 
Milch im ganzen Gefäß gleichmäßig rot bleibt, 
wenn sie vom Futter herrührt. Bei weitem am 
HPäufigsten ist aber die Rotfärbung auf das Auf- 
treten bestimmter Mikroorganismen (Bac. prodi- 
giosus, Bac. lactorubefaciens. Bakterium lactis 
erythrogenes und bisweilen der Sarcina rosea 
zurückzuführen, die man nicht selten auch auf 
reifenden Käsen, auf an feuchten Orten auf- 
bewahrtem Brot, „blutigen“ Hostien usw. beob- 
achtet.. Viel seltener nimmt die Milch gelbe Fär- 
bung an, hervorgerufen durch das Auftreten von 
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Bac. synxganthus. Da auch fast alle weiteren 
obengenannten M. auf die Anwesenheit und rasche 
Vermehrung spezifisch wirkender Bakterien zurück- 
zuführen sind, müssen diese durch größte Rein- 
lichkeit im Stall, beim Melken und bei der Auf- 
bewahrung der Milch bes. aber durch Anwendung 
entsprechender Hitzegrade (Pasteurisieren bzw. Ste- 
rilisieren) vernichtet oder wenigstens in der Ent- 
wicklung gehemmt werden. Nur die sandige Milch 
macht eine Ausnahme. Diese M. entsteht durch die 
Bildung kleiner Milchsteine (feiner Kristalle aus 
phosphorsaurem Kalk) im Euter der Kühe, wenn 
das Futter und Tränkwasser bes. reich an Mine- 
ralstoffen ist. Treten diese Kristalle recht zahlreich 
auf, so geben sie Veranlassung zu Euterentzün- 
dung, verstopfen die Zitzenkanäle, verursachen den 
Kühen beim Melken große Schmerzen und führen 
zu erheblicher Veränderung des Milchertrags, weil 
die Kühe die Milch (s. das.) zurückhalten. In 
solchen Fällen kann es angezeigt sein, das Euter 
unter Anwendung sogen. Melkröhrchen (Milch- 
stiften) zu entleeren. Manchmal müssen die Milch- 
steine, wenn sie große Dimensionen angenommen 
haben, auf operativem Wege entfernt werden, 
beeinträchtigen aber die Verwendbarkeit der Milch 
nicht, da sie bei ruhigem Stehen derselben auf 
den Boden sinken und von jedem guten Milchseier 
zurückgehalten werden. Sieglin. 
Milchgefäße mit und ohne Abstichstäbe s. Maß- 
und Gewichtsordnung VI. 
Milchuntersuchung (Milchprüfung). Die 
Untersuchung der Milch findet aus recht verschiede- 
nen Veranlassungen statt und demgemäß bedient 
man sich verschiedener Untersuchungsmethoden, 
die in physikalische, chemische, mikroskopische und 
bakteriologische eingeteilt werden können. Von 
manchen Methoden, die von praktischen Milch- 
wirten, Hausfrauen usw. angewendet werden, 
erwartet man auch kein genaues, zahlenmäßiges 
Resultat; man will durch sie nur grobe Abweichungen 
von der normalen Zusammensetzung der Milch, 
namentl. Milchfälschungen nachweisen oder man 
interessiert sich nur für einen einzelnen Milch- 
bestandteil. So kommen für Molkereien mit be- 
schränktem Betrieb, die nur die Milch entrahmen 
und die Magermilch den Lieferanten zurückgeben, 
lediglich die Fettprozente in Betracht, nach denen 
dann vielfach auch der Preis der Vollmilch be- 
rechnet wird. Milchfälschungen durch teilweises 
Entrahmen oder Wasserzusatz sind in diesem Fall 
nicht zu befürchten. Auch bei Probemelkungen 
wird außer der Menge gewöhnlich nur der Fett- 
ehalt der Milch festgestellt. Aus diesen beiden 
Fahlenreihen läßt sich berechnen, wieviel Butter jede 
Kuh jährlich liefert (Butterkühe) und welche der- 
selben das Futter am besten bezahlt machen. Da es 
sich um ein relatives Verhältnis handelt, wird 
in diesem Fall einer einfachen und billigen, von 
Laien anwendbaren, wenn auch weniger genauen 
Fettbestimmungsmethode der Vorzug gegeben. 
Soll dagegen der unanfechtbare Nachweis für 
Milchfälschung erbracht werden, so müssen ver- 
schiedene Bestandteile genau ermittelt und daher 
mehrere Untersuchungsmethoden angewendet, mit
	        
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