Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

Reichsverficherung. 
jedoch muß die Partei die Proz Führung Lgen sich 
gelten lassen, wenn sie auch nur mündl. Vollmacht 
erteilt oder wenn sie die Proz Führung ausdrücklich 
oder stillschweigend genehmigt hat, 8 19 VAO., 
& 14 Abs. 2 OVMMO. Der Umfang der Vollmacht 
ist nicht durch Ges., sondern nur durch die Voll- 
macht bestimmt. Die Rechtswirkung der Bevoll- 
mächtigung ist wie sonft, daß der Bevollmächtigte 
mit Wirkung für die Partei handeln kann; die 
Zustellungen haben an ihn zu erfolgen. 6 38, 55 
VAO. 8 24, 867 OVAO. — 2. Allgemeine 
Grundsätze des Verfahrensrechts. 
Der VersPPr. ist eine Unterart des VerwaltRechts- 
prozesses. Es handelt sich auch in ihm um die 
Fitiarllung. und Durchsetzung öff. Rechte und 
flichten. Die allg. Grundsätze des heutigen Verw.= 
Rechts-Pr. beherrschen auch den Vers Pr. Aus dem 
Fürsorgecharakter unseres sozialen Vers R. folgt die 
wes. Beteiligung des öff. Interesses an der ord- 
nungsmäßigen Gewährung der Vers#eistungen. 
Deshalb ist auch die Feststellung der Anspr. nicht 
wie im Ziv Pr. dem Ermessen der Parteien unter- 
cordnet, sondern die Vers Beh. haben von sich aus 
gefür zu sorgen, daß der erhobene Anspruch in dem 
Maß seiner Berechtigung klargestellt und durch- 
gesetzt wird. Die Vers Behörden greifen 
aber, wie schon oben unter II. dargelegt, nur auf 
Antrag ein; zunächst ist die Feststellung der 
Leist. und die Befriedigung der gegen sie erhobe- 
nen Anspr. den VT. selbst überlassen, die als Ein- 
richtungen des öff. Rechts bei der Feststellung 
genau so objektiv zu verfahren haben wie die 
BersBeh. Für die VersBeh. ist der an fie gerichtete 
Antrag auch insofern maßgebend, als ihre Ent- 
scheidung innerhalb der erhobenen 
Anspr. zu ergehen hat. Damit, daß die VersBeh. 
nur auf Antrag einer Partei tätig werden, hängt 
dann auch zusammen, daß bei Einlegung eines 
Rechtsmittels durch eine Partei die ergehende Ent- 
scheidung nicht ungünstiger sein darf als die an- 
gefochtene: Verbot der reformatio in 
pejus. Um den meist wenig geschäftsgewandten 
Vers. das eigene Tätigwerden tunlichst zu er- 
leichtern, werden an die Anträge der Part. mög- 
lichst wenig formale Anforderungen gestellt und ist 
das Verfahren vor den VersBeh. 
grundsa bch kostenfrei. Es gibt keine 
erichtsgebühren, mit der Ausnahme, daß im 
Berufungsverfahren der Kr L. das OA. dem 
unterliegenden Teil eine Gebühr nach dem Streit- 
wert bis zu 20 & auferlegt, § 1803; außerdem 
können allg. einem Beteil. die von ihm durch Mut- 
willen, Verschleppung oder Irreführung veran- 
laßten Kosten auferlegt werden, § 1802. Ueber den 
Ersatz der Parteikosten (Reisekosten zum 
Termin, Anwaltkosten usw.) bestimmt § 1670, 
daß bei der Verhandl. von Amts wegen zu prüfen 
K ob und in welchem Betrag die unterlegene 
artei dem Gegner seine Kosten zu erstatten hat; 
ihre Höhe wird im Urteil feftgesetzt. Die Aus- 
lagen und Arbeitsverdienstverluste des Antrag- 
stellers beim Erscheinen zum Termin erstattet 
übrigens der Staat, wenn sein persönliches Er- 
scheinen angeordnet war oder die Versheh. das 
675 
Erscheinen nachträglich für erfordrerlich erklärt, 
§ 1669. Die Vergütungen der Rechts- 
anwälte find durch eine bes. Gebührenordnung 
24. 12. 11, Rol. 1094, geregelt; die Vereinbarung 
höherer als der hier beft. Geb. (im Verf. vor dem 
VA. 3—30 4X, O# A. 3—50 4 RA. 5—100 44) 
erklärt § 1805 für nichtig. Innerh. des Rahmens, 
der durch die erhob. Anspr. gezogen ist, haben die 
Vers Beh. von sich aus dafür zu sorgen, daß die 
Wahrheit ermittelt und ihr entsprechend entschieden 
wird. Wie sonst im Verwaltungsrechts Pr., gilt 
also auch im VersPr. der Grundsatz der 
Erforschung der materiellen Wahr- 
heit, der sich im einzelnen auswirkt in den 
Grundsätzen des Amtsbetriebs, der Untersuchungs- 
maxime und der freien Beweiswürdigung. tm 
Grundsatz des Amtsbetriebs gehört, 
daß, nachdem einmal das Verf. durch den Antrag 
eingeleitet ist, seine Weiterführung Sache der 
Vers Beh. ist. Diese teilt die Antrage und Er- 
klärungen der Gegenpartei mit, lädt, beraumt 
Termine an, verfügt die Aussetzung des Verf., 
wenn sie es für notwendig hält, § 1654, (ein von 
den Part. vereinbartes Ruhen des Verf. gibt es 
nicht) stellt die Entscheidung von Amts wegen zu 
usw. Der Grundsatz der Untersuchungs- 
maxime, der im Gegensatz steht zu der den Ziv.= 
Pr. beherrschenden Verhandlungsmaxime, bedeutet, 
daß die Vers Beh. ohne Bindung an die Anträge der 
Part. den Sachverhalt von Amts wegen völlig auf- 
zuklären haben. Nach ihrem Ermessen haben sie 
also Beweise aufzunehmen, Zeugen und Sach- 
verständige zu hören usw. Die Erklärungen, auch 
die Geständnisse der Part. find nicht wie im Ziv.= 
Pr. bindend. Dem Grundsatz der Untersuchungs- 
maxime widerspricht es aber nicht, daß die Part. 
im Rahmen ihres materiellen Verfügungsrechts 
einen Anspr. anerkennen, aus, ihn verzichten, über 
ihn einen Vergleich abschließen können, § 1666. 
Aus dem Grundsatz der Untersuchungsmaxime 
folgt dann auch, daß es im Vers Pr. eine Beweis- 
last der Parteien nicht gibt. Der Grundsatz 
der freien Beweiswürdigung ist maß- 
gebend für die Tatbestandfeststellung, die auf 
Grund des Inhalts der Verhandl. und des Ergeb- 
nisses der Beweisaufnahme erfolgt. Er ist in der 
VerfVO. in den Worten ausgesprochen, daß „Cnach 
freiem Ermessen“ zu entscheiden sei, § 31 VWMO., 
8 33 OVAO. 8 31 RVAO. Er gilt im Verspr. 
noch vollkommener als im Ziv Pr., da ges. Beweis- 
regeln so gut wie völlig fehlen; bes. gibt es keinen 
Parteieid und keine ges. Beweisregeln für den Ur- 
kundenbeweis. Während die Grundsätze des Amts- 
betriebs und der Untersuchungsmaxime für den 
Vers Pr. als Teil des Verwaltungsrechts Pr. kenn- 
zeichnend sind, ist der Grundsatz der freien Be- 
weiswürdigung ein Bestandteil allen modernen 
PrRechts geworden. Das gilt ebenso auch für die 
weiteren Grundsätze der Mündlichkeit, der Un- 
mittelbarkeit und der Oeffentlichkeit, die wir in 
ihrer Anwendung auf den Vers Pr. noch zum einen 
Teil als Auswirkungen des Grundsatzes der Er- 
forschung der materiellen Wahrheit, zum andern 
aber als Ausdruck des Strebens ansehen können, 
den Part. wie der Allgemeinheit das nötige Ver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.