139. Begriff der Schenkung. 573
Schulden freiwillig voll zu bezahlen verspricht, so ist anzunehmen, daß er damit nur einer
sittlichen Verpflichtung nachkommen will. Es liegt also keine unentgeltliche Zuwendung und
demnach auch keine Schenkung des A. an seine einstigen Gläubiger vor. II. Wenn B. im
Gasthause die üblichen Trinkgelder gibt, ist gleichfalls anzunehmen, daß er darin keine
unentgeltliche Zuwendung und also auch keine Schenkung erblickt.
Nicht im Widerspruch zu der eben festgestellten Regel steht es, wenn das Gesetz mehrmals
ausdrücklich Schenkungen erwähnt, durch die einer sittlichen Pflicht entsprochen wird (s. unten
S. 585 IV). Denn unfre Regel besagt nur, daß die Erfüllung einer rein sittlichen Pflicht im
Einzelfall eine entgeltliche Zuwendung sein kann, nicht aber, daß sie es immer sein muß.
Beispiel: wenn A. seine uneheliche Tochter bei ihrer Großjährigkeit seinem eignen Stande
entsprechend ausstattet, so kann er hierin je nach Denkungsart einfach die Erfüllung einer
sittlichen Pflicht oder aber auch eine Schenkung, durch die er einer sittlichen Pflicht entspricht,
oder endlich eine völlig freie Schenkung erblicken. Die Unterscheidung ist freilich subtil, aber
keineswegs willkürlich.
b) Das Entgelt braucht nicht dem Urheber der Zuwendung gewährt zu
werden, sondern es genügt, wenn es nach Annahme der Parteien seinen (wirt-
schaftlichen oder unwirtschaftlichen) Interessen dienen soll. Ebensowenig braucht
das Entgelt von dem Empfänger der Zuwendung herzurühren, sondern es ge-
nügt, wenn es ihm nach Abrede der Parteien zugerechnet werden soll.
Beispiel. A. und B. vereinbaren miteinander, daß A. dem B. 1200 Mk. gibt und B.
dafür im eignen Namen ein Pianino kaufen und gleichfalls im eignen Namen seiner Braut
C. übereignen soll. I. Soll hier B. der C. bei der Übereignung des Pianinos erklären
„das Instrument ist ein Geschenk des A. an dich“", so liegt sowohl in der Hingabe der
1200 Mk. von A. an B., wie in der Hingabe des Pianinos von B. an die C. eine ent-
geltliche Zuwendung. Darin, daß B. das Pianino für die C. anschafft, liegt nämlich ein Entgelt
für die Hingabe der 1200 Mk. von A. an B.; denn die Anschaffung geschieht im Interesse
des A., damit dieser gegenüber der C. als Geschenkgeber auftreten kann. Ebenso liegt darin,
daß A. dem B. 1200 Mk. gibt, ein Entgelt für die Hingabe des Pianinos von B. an die
C.; denn die C. kann sich auf die von A. gegebenen 1200 Mk. gegenüber B. wie auf eine
eigne Leistung berufen. II. Anders, wenn B. das Pianino der C. als sein eignes Geschenk
zuwenden soll. Denn hier geschieht die Anschaffung des Pianinos im Interesse des B.,
damit dieser selbst als Geschenkgeber gelten solle; sie ist also kein Entgelt für die Hingabe
der 1200 Mk. Und auch die C. kann sich ihrerseits auf die Hingabe der 1200 Mk. von A.
an B. nicht berufen; sie ist also kein Entgelt für die Anschaffung des Pianinos.
c) Das Entgelt braucht von der Person, von der es herrührt, nicht
freiwillig gegeben zu werden, sondern kann ihr auch wider Willen abge-
drungen werden.
Beispiel. A. wendet dem B. 1000 Mk., die er ihm schuldig ist, dadurch zu, daß er sie
gemäß BG#B. 372, 378 öffentlich hinterlegt. Hier wird dem A. für diese Zuwendung durch
Erlöschen seiner Schuld ein Entgelt kraft Gesetzes zuteil (378).
d) Das Entgelt muß mit der Zuwendung, auf die es sich bezieht, in recht-
lichem Zusammenhange stehn: ein bloß tatsächlicher Zusammenhang genügt nicht.
Beispiel. I. Eine entgeltliche Zuwendung liegt vor, wenn A. dem B. ein Bild unter
der Bedingung „schenkt“, daß B. ihm ein gewisses gleichwertiges Bild als „Gegengeschenk"
gibt, mag die Bedingung später erfüllt werden oder nicht. II. Eine unentgeltliche Zuwendung
liegt vor, wenn A. dem B. ein Bild in der bestimmten Erwartung „schenkt“, daß B. ihm
ein gleichwertiges Gegengeschenk machen werde, mag die Erwartung sich später bewahrheiten
oder nicht.
3. Die Schenkung ist eine Zuwendung „aus dem Vermögen des Schenkers“.
Demnach fallen unentgeltliche Arbeitsleistungen, selbst wenn sie gewöhnlich be-