Full text: Der neue Kurs.

einigten Staaten, Rumänien usw. bezahlt, und daher war jede 
Erleichterung, die Rußland dem deutschen Ausfuhrhandel gewährte, 
reiner Gewinn. Aber dieser Grund, der auch Gegner des geltenden 
Vertragstarifs bestimmen konnte, für den russischen Vertrag zu 
stimmen, schlug bei den Agrariern nicht durch, und die Konser-- 
vativen unter Führung der Kreuzzeitung machten wenig Hehl dar- 
aus, daß der Widerstand gegen den russischen Vertrag den Anfang 
einer allgemeinen Schilderhebung gegen den Grafen Caprioi bilden 
würde. In seinem Neujahrsartikel erklärte es das Blatt als 
Christenpflicht, gegen Schädliches, das Recht und Gesetz werden 
solle, Zeugnis abzulegen, auch auf die Gefahr hin, wie die alten 
Gottesmänner Elia, Amos und Paulus als Verstörer und Unruh- 
stifter verklagt zu werden. Acht Tage darauf hieß es an derselben 
Stelle, der letzte Grund bei „dem unheilbaren Zerwürfnis“ zwi- 
schen dem Grafen Caprivi und den Konservativen liege nicht bloß 
in dem Vertrage mit Rußland, sondern in dem allgemeinen Mangel 
an Vertrauen. 
Noch viel rabulistischer war die Sprache der Redner in den 
Versammlungen des Bundes der Landwirte. Man behauptete, daß 
die keimenden Gefühle der Anhänglichkeit an die Dynastie der 
Hohenzollern erstickt würden, daß Thron und Altar ins Wanken 
gerieten, daß der deutsche Landwirt genötigt wäre, den Kaiser als 
seinen politischen Gegner anzusehen. Reichstagsabgeordnete der Rech- 
ten, die Miene machten für den russischen Vertrag zu stimmen, 
wurden zu bindenden Versprechungen oder zur Niederlegung ihres 
Mandats gedrängt. Die Versuche der Norddeutschen Allgemeinen 
Zeitung, den Konservativen gegen den Terrorismus des Bundes 
der Landwirte ins Gewissen zu reden, blieben vergeblich. Die 
parteiamtliche Konservative Korrespondenz stimmte ganz mit der 
Kreuzzeitung darin überein, daß eine Regierung, deren „Stütze“ 
und „Kerntruppe“ die Sozialdemokratie sei, kein Entgegenkommen 
verdiene. 
Auch das Eingreifen des Kaisers half nichts. Auf einem 
Mahle beim Reichskanzler trat er warm für den Vertrag ein, von 
dem er sich auch günstige politische Folgen versprach, zumal da 
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