Kriegen noch strenger verfahren wären, die Russen im Kaukasus
und in Polen, die Franzosen in Tongking, die Osterreicher in Bos-
nien, die Oeutschen 1810. Wöhrend dieser verfehlte Rechtfertigungs-
versuch weder in Rußland, noch in Frankreich, noch in Österreich-
Ungarn eine nennenswerte Erregung hervorrief, setzte in Deutsch-
land ein wütender Entrüstungssturm ein, der monatelang andauerte.
Der Vater des Bündnisangebots ließ darauf die Hoffnung fahren,
daß es möglich wäre, die Billigung der Parlamente für ein ver—
brieftes und gesiegeltes deutsch-englisches Einvernehmen zu erlan—
gen. Die Genehmigung eines schriftlichen Vertrags durch das eng—
lische Parlament war nämlich von den deutschen Staatsmännern
verlangt und von den englischen zugesagt worden. Für die Be-
urteilung der Frage, warum der wiederholte Versuch eines fried-
lichen Ausgleichs der weltpolitischen Gegnerschaft so gänzlich miß-
glückte und nicht einmal zu einer neuen Verständigung in Einzel-
fragen führte, fällt die feindselige Stimmung beider Völker stär-
ker ins Gewicht als das Verkennen des Ernstes der englischen Er-
öffnungen auf deutscher Seite.
Sofort nach dem Scheitern der Verhandlungen wurde die
angekündigte Schwenkung der englischen Politik mit dem Abschluß
eines Bündnisses mit Japan eingeleitet, dem zwei Jahre später
die Entente cordiale mit Frankreich nachfolgte. Uns blieb neben
diesem positiven Nachteil ein nicht zu unterschätzender negativer
Vorteil zurück: Der Bau der deutschen Kriegsflotte war der Ge-
fahr entrückt, durch Rücksichten auf ein uns verbündetes England
gehindert oder verlangsamt zu werden.
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