Full text: Der neue Kurs.

und die ausgezeichnetste Leistung für ihn immer nur um ihrer 
selbst willen dazusein schien, bis sie erkannten, daß der große 
Mann die Bescheidenheit, die er selbst übte, von anderen als die 
selbstverständlichste Sache von der Welt voraussetzte. Mit zu seinen 
größten Taten dürfen wir den Geist rechnen, den er auf diese 
Weise mit seinem absolut nur auf den objektiven Gehalt und die 
objektive Wirkung der Dinge gerichteten Sinn auf den preußischen 
Generalstab und weiterhin in das Offizierskorps der Armee über- 
trug. 
Ohne den kühlen, von allem Subjektiven befreiten Zug im 
Wesen Moltkes würden sich die eigentümlichen Beziehungen, die 
zwischen ihm und Bismarck bestanden, schwer erklären lassen. Sie 
trugen keinerlei intimes Gepräge, waren aber durch persönliche 
Zwiste, durch Eifersucht und ähnliche Charakterschwächen überhaupt 
nicht und durch große sachliche Differenzen nur vorübergehend ge- 
stört. Bismarck gab seiner Verehrung für den greisen Kriegshelden 
gern bei passender Gelegenheit Ausdruck; oft hat er im Reichs- 
tage auf das Urteil des vor ihm auf der ersten Bank der äußersten 
Rechten sitzenden Feldmarschalls verwiesen, das für ihn in mili- 
tärischen Dingen maßgebend war. Moltke sah Bismarck immer 
mehr im historischen Lichte, auch ihm gegenüber machte er keine 
Ausnahme von dem Grundsatze: Die Leistung, die Tat, die fort- 
wirkende, bleibende, ist alles, die Person verschwindet. So waren 
die beiden alten Paladine immer auf gutem Fuße miteinander, 
ohne daß sie eine warme persönliche Freundschaft fürs Leben ver- 
bunden hätte. 
Wie mag Moltke, den die höchste kaiserliche Gunst bis an 
sein Lebensende begleitet hat, über die Entfremdung zwischen dem 
alten Kanzler und dem jungen Kaiser gedacht haben? Die äußeren 
Umstände, unter denen der eine Mitbegründer des Reiches „fort- 
geschickt" worden war, „als ob gar nichts gewesen wäre“, be- 
rührten den anderen schmerzlich, sonst ist darüber nur selten ein 
Wort über Moltkes Lippen gekommen. Das eine Mal auf einer 
Fahrt des Kaisers mit Moltke und Caprivi nach Hamburg. Als 
der Zug Schwarzenbeck erreichte, sagte Moltke: „Hier wäre der 
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