II. Im Schatten des großen Mannes.
An einem Junitage des Jahres 1892 erhielt ich eine Ein-
ladung nach der Wilhelmstraße 77 zu einer Unterredung mit dem
General, der zwei Jahre vorher als Nachfolger des Fürsten Bis-
marck zur obersten Leitung der Reichsgeschäfte berufen worden war.
Was mir diese Ehre verschaffte, waren ein paar Artikel im Pester
Lloyd, die, wie man mir sagte, die Aufmerksamkeit des Grafen
Caprivi erregt hatten.
Er geleitete mich in den Kanzlergarten. An der Ecke des
Mittelwegs stand damals noch eine alte Kastanie, unter deren Dache
wir an einem Tische Platz nahmen. Es war das erstemal, daß
ich ihn aus nächster Nähe sah. Beim Anblick von der Tribüne des
Reichstags aus hatte der hochgewachsene Mann in Generalsuniform
am Eckplatz der Ministerreihe mit dem runden Kopf, dem Schnauz-
bart auf der Oberlippe, der am Steg eingedrückten Nafe und den
munteren Augen in mir unwillkürlich die Erinnerung an einen
Seehund hervorgerufen. So hätte wohl auch ein tierliebender
Gulbranson jener Zeit ihn karikiert. Jetzt im Kanzlergarten fielen
mir besonders der helle klare Blick und die feinen schmalen Hände
des Mannes auf. Das Gespräch hatte er mit der Bemerkung
eingeleitet, daß dieser schöne Park das einzige Angenehme an seiner
Stellung sei. Dann kam er sogleich auf seinen großen Vorgänger
zu sprechen.
„Ich habe alle Schwierigkeiten vorausgesehen, das, was in
Wien geschah, nicht. Die beiden Söhne hielten ihn nach meinen
Nachrichten in Wien zurück. Angriffsweise vorgehen, was mir als
Soldaten am nächsten läge, ist unmöglich. Darin schlägt er uns.
Was kann der Beweggrund für sein heftiges Vorgehen gegen das
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