oder Februar 1890 dem Kaiser den General v. Caprivi für den Fall
eines Kanzlerwechsels als seinen Nachfolger empfohlen habe.
Aber die Schonung bezog sich nur auf die Person im allge—
meinen. Im besonderen Falle, und wenn sich sachliche Gegnerschaft
ergab, ließen es die Friedrichsruher Gespräche an Schärfe nicht
fehlen. Caprivi war der ausgesprochenen Meinung, daß etwaige
Zollfehden mit Osterreich-Ungarn und Italien die Popularität des
Bündnisses in allen Dreibundreichen leicht mindern würde, ein
neuer Handelsvertrag dagegen den Dreibund festigen und die Bundes-
genossen stärken könnte. Er glaubte ferner, daß eine vertragliche
Herabsetzung der Kornzölle von s auf 3½ Mark für die deutsche
Landwirtschaft erträglich und insofern sogar nützlich wäre, als damit
der Agitation gegen die Verteuerung des wichtigsten Nahrungs-
mittels der Boden entzogen würde. Mit den Bundesgenossen, die
durch wirtschaftliche Einigung gestärkt werden könnten, waren natür-
lich alle gleichmäßig gemeint. Das aus Friedrichsruh stammende
Wort vom „Tribut an Österreich-Ungarn“ gab dem Gedanken
Caprivis einen falschen Sinn und wirkte agitatorisch gegen die
Person Caprivis lange fort. Es gibt sogar heute noch ernsthafte
Leute, darunter Geschichtschreiber, die höhnisch oder mitleidig dem
zweiten Kanzler die Torheit nachsagen, er habe es unter Verkennung
der Bedeutung der Landwirtschaft für nötig gehalten, den Nutzen,
den das Bündnis mit Osterreich-Ungarn dem Deutschen Reiche ge-
währt, mit wirtschaftlichen Opfern zu erkaufen.
Wie Caprivi wirklich die Bedeutung der Landwirtschaft für
den Staat beurteilte, geht aus seiner Rede vom 10. Dezember 1891
hervor. Sein grundsätzlicher Standpunkt war, daß, wenn von
Opfern die Rede wäre, diese nicht von der Landwirtschaft gebracht
würden, sondern daß der Staat Opfer für die Landwirtschaft zu
bringen hätte. Wer heute noch an den beschränkten Horizont des
„Mannes ohne Ar und Halm“ glaubt, der lese folgende in Ver-
gessenheit geratene Stelle nach:
„Ich bin der Uberzeugung, daß wir eines Körnerbaues, der
zur Not hinreicht, selbst die steigende Bevölkerung, wenn auch
unter Beschränkungen, im Kriegsfall zu ernähren, gar nicht ent-
18