behren können. Das Dasein des Staats wird aufs Spiel gestellt,
wenn er nicht imstande ist, von seinen eigenen Bezugsquellen zu
leben. Sie können mir erwidern: Es können Mißjahre eintreten,
es können Unglücksjahre eintreten. Jawohl, das sind dann aber
keine normalen Verhältnisse, und in etwas sehen wir solchen Un-
glücksfällen auch dadurch vor, daß wir in diesen Verträgen das
Bestreben haben, uns einem hervorragend Getreide bauenden Staat
so eng zu verbinden, daß wir hoffen dürfen, selbst im Kriegsfalle
würden dessen Mittel uns zur Verfügung stehen. Ich habe sagen
hören: das ist eine übertriebene Ansicht; selbst wenn wir einen
Krieg hätten zugleich gegen Frankreich und Rußland, es bleibt
uns ja doch der Weg über die See offen; da sind neutrale Staaten,
die werden das Korn bei uns einführen. Ich möchte das Wohl
des Staates auf so unsichere Faktoren nicht stellen. Der See-
handel im Falle eines Krieges ist geregelt oder soll wenigstens ge-
regelt sein durch die Pgriser Konvention von 1856. Was aber
dermaleinst, wenn ein Weltbrand kommt, die zur See
mächtigen Staaten für Konterbande, für eine effektive
Blockade erklären werden, das wollen wir einmal ab-
warten, und ich halte es für richtiger, daß Deutschland sich auf
seine Landwirtschaft stützt, sie erhält, selbst wenn es nur mit
Opfern geschehen kann, als daß es sich auf einen so unsicheren
Kalkül über die Unterstützung durch Dritte im Kriegsfalle verläßt.
Ich bin vielleicht durch meine Vergangenheit als Soldat und durch
die Zeit, die ich in der Admiralität zugebracht habe, darauf an-
gewiesen worden, solchen Fragen näherzutreten, und ich habe diese
Uberzeugung nicht von heute. Mir ist es eine ganz unerschütter-
liche Uberzeugung, daß in einem künftigen Kriege die Er-
nährung der Armeen und des Landes eine geradezu ent-
scheidende Nolle spielen kann.“
Schutz gegen eine mögliche Hungerblockade im Kriege — der-
selbe Leitgedanke hatte auch schon dem Erwerbe der Insel Helgo-
land im sogenannten Sansibarvertrage zugrunde gelegen. In der
Denkschrift über das deutsch-englische Abkommen vom 1. Juli 1890
war hervorgehoben worden, daß der Wiedergewinn Helgolands eine
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