Presse, namentlich Pariser und Brüsseler Blättern, noch viel toller
fort. Es war System darin. In einem einzigen Monat erschie-
nen in einer Reihe von Pariser Zeitungen, Gaulois, Lanterne,
Eclair, folgende Nachrichten:
Der Kaiser habe in einem Wutanfall seinen Bruder töten
wollen, die Kaiserin sei bei seinem Anblick in Ohnmacht gefallen;
er leide an Krebs im Bein und an Tuberkulose im Gehirn; in
seiner Monomanie bilde er sich ein, daß man ihn mit Koch-
scher Lumphe vergiften wolle; auf einer Seefahrt habe er nachts
Alarm schlagen lassen und auf Verdeck als Pontifer mit schwarz-
weißer Mitra ein phantastisches Schauspiel aufgeführt, am Schluß
sei er mit Offizieren und Matrosen in eine Schlägerei geraten.
Um die Trostlosigkeit der Zustände im Reiche zu kennzeichnen,
wurde ferner behauptet: Der Chef des Zivilkabinetts v. Lucanus
treibt ein lukratives Geschäft mit Orden und Titeln; der General-
adjutant Graf Wedel hat sich an der Schloßlotterie bereichert;
Graf Caprivi hat 400 Ovo Mark beim Zusammenbruch eines Bank-
hauses verloren, und man weiß nicht, wie er zu einem solchen
Vermögen gekommen ist. Endlich tauchte auch trotz aller Demen-
tis immer wieder die Nachricht von einer Kronanleihe zur Besse-
rung der völlig zerrütteten Finanzen des Hofes auf. Das sind
nur einig: Proben des Gifts, das jahrelang in allen möglichen
Dosen und Verpackungen an ein leichtgläubiges Publikum im In-
und Auslande verabreicht wurde, ohne daß der Fabrikant und
die Bezugsquellen ermittelt und gefaßt werden konnten.
Erst nach meinem Eintritt ins Amt konnte ich den Umfang,
den der Schleichhandel mit Schwindelnachrichten in den voran-
gegangenen Jahren angenommen hatte, aus den Akten und durch
weitere Beobachtungen einigermaßen übersehen. Damals wurden
der Kaiser und die Männer des neuen Kurses von einem Berliner
Korrespondenten des Newyork Herald in ganz ähnlicher Weise wie
früher in Pariser und Brüsseler Blättern angegriffen. Der Ver-
dacht, daß der Berliner Korrespondent der Journalist Ernst Schu-
mann, auch Normann und Normann-Schumann genannt, sei, wurde
mir von dem Chef der Erekutive der politischen Polizei v. Mau-
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