Nach dem Münchener Prozeß war der ehemalige Stadtkom-
mandant, dem niemand eigene politische Antriebe nachsagen konnte,
fast ganz in den Hintergrund getreten. Trotzdem drohte nach dem
Zusammenbruch Eulenburgs noch ein Schlußakt. Sollte sich Harden
nach den errungenen Erfolgen mit der ihm im zweiten erstinstanz-
lichen Verfahren von der Berliner Strafkammer zudibtierten Ge-
fängnisstrafe beruhigen und sie abbüßen? Er hatte beim Reichs-
gericht Revision eingelegt, und dieses entschied im Mai 1g90s aus
rechtlichen und prozessualen Gründen auf Rückverweisung an die
Strafkammer. Es setzten nun Bemühungen nicht nur von Freun-
den Hardens, sondern auch des Kanzlers ein, um der ganzen „gräß-
lichen Geschichte“ ohne eine neue für den Grafen Moltke gefähr-
liche Beweisaufnahme ein Ende zu machen. Die Möglichkeit dafür
schien gegeben, wenn beide Gegner auf Grund eines Austausches
von Erklärungen die Strafkammer bäten, das Verfahren einzustellen.
Harden hatte in seinen Angriffen immer von einem Kreis von
Männern von süßlichem Wesen und normwidrigen Empfindungen,
nicht von homoseruellen Betätigungen geschrieben. Graf Moltke war
bereit, die Erklärung Hardeno, daß er ihn in seiner Wochenschrift
nicht der Homoserualität beschuldigt habe, anzunehmen. Beide
Gegner, in der Frage der Einstellung des Verfahrens einig, stießen
jedoch ebenso wie die Bemühungen des Kanzlers zunächst auf die
formalistische Mauer der Justiz. Die Strafkammer war bei ihrer
Verurteilung davon ausgegangen, daß in den Artikeln trotz der
nur andeutenden Formen doch eine schwere Beleidigung des Neben-
klägers enthalten wäre. Auch kam juristisch in Betracht, daß es sich
um eine öffentliche Anklage handelte. Es mußte also nochmals vor
der Strafkammer verhandelt werden, jedoch kam es auf Antrag
des Oberstaatsanwalts wie des Nebenklägers und des Angeklagten
nicht zu einer Beweisaufnahme. Das Gericht verurteilte diesmal
nur zu einer Geldstrafe. Harden verzichtete auf Revision, nachdem
Graf Moltke eine für die Offentlichkeit bestimmte, das loyale Vor-
gehen seines Gegners anerkennende Erklärung abgegeben hatte. So
unterblieb endlich doch eine gegen das Staatsinteresse grob ver-
stoßende, wahrscheinlich vermehrte und verschärfte Neuauflage der
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