206 IV. 4. Reichsbeamten G. 31. März 73.
Gehört der Angeschuldigte zu den Beamten, welche einen Anspruch auf
Pension haben, und lassen besondere Umstände eine mildere Beurtheilung zu,
so ist die Disziplinarbehörde ermächtigt, in ihrer Entscheidung zugleich fest-
zusetzen, daß dem Angeschuldigten ein Theil des gesetzlichen Pensionsbetrages
auf Lebenszeit oder auf gewisse Jahre zu belassen sei.
§. 76. Welche der in den 8§. 73 bis 75 bestimmten Strafen anzu-
wenden sei, ist nach der größeren oder geringeren Erheblichkeit des Dienst-
vergehens mit besonderer Rücksicht auf die gesammte Führung des An-
geschuldigten zu ermessen.
§S. 77. Im Laufe einer gerichtlichen Untersuchung darf gegen den An-
geschuldigten ein Disziplinarverfahren wegen der nämlichen Thatsachen nicht
eingeleitet werden.
Wenn im Laufe eines Disziplinarverfahrens wegen der nämlichen
Thatsachen eine gerichtliche Untersuchung gegen den Angeschuldigten eröffnet
wird, so muß das Disziplinarverfahren bis zur Beendigung des gerichtlichen
Verfahrens ausgesetzt werden.
§S. 7828). Wenn von den gewöhnlichen Strafgerichten auf Freisprechung
erkannt istss), so findet wegen derjenigen Thatsachen, welche in der gericht-
lichen Untersuchung zur Erörterung gekommen sind, ein Disziplinarverfahren
nur noch insofern statt, als dieselben an sich und ohne ihre Beziehung zu
dem gesetzlichen Thatbestande der strafbaren Handlung, welche den Gegenstand
der Untersuchung bildete, ein Dienstvergehen enthalten.
Ist in einer gerichtlichen Untersuchung eine Berurtheilung ergangen,
welche den Verlust des Amtes nicht zur Folge gehabt hat'o), so bleibt der-
jenigen Behörde, welche über die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu
verfügen hat (§. 84 Abs. 1), die Entscheidung darüber vorbehalten, ob außer-
dem ein Disziplinarverfahren einzuleiten oder fortzusetzen sei.
§. 79. Spricht das Gesetz bei Dienstvergehen, welche Gegenstand eines
Disziplinarverfahrens werden, die Verpflichtung zur Wiedererstattung oder
zum Schadensersatze oder eine sonstige civilrechtliche Verpflichtung aus, so
88) An die strafrechtliche Entscheidung
über die That= u. die Schuldfrage —
mag sie verneinend oder bejahend sein
— ist der Disziplinarrichter trotz der
ihm durch § 108 Abs. 1 gewährten freien
Beurtheilung gebunden Erk. des RDisz
Hofes 1. April 74 (CB. 143), U.O V. 31.
Okt. 91 (XXII 428).
89) Ein die strafrechtliche Verfolgung
einstellender Beschluß oder der Eintritt
der strafrechtlichen Verjährung hat diese
Wirkung nicht. Disziplinarvergehen un-
terliegen der Verjährung nicht.
90) Der Verlust des Amtes folgt kraft
Gesetzes aus der Verurtheilung zu Zucht-
haus St GB. § 31 u. der Aberkennung
der bürgerlichen Ehrenrechte § 33. Da-
neben kann in einzelnen Fällen auf den
Verlust der bekleideten Aemter erkannt
werden § 81, 83, 84, 87—91, 94, 95,
319, in anderen auf Verlust der Fähig-
keit zur Bekleidung öffentlicher Aemter
§ 35 Abs. 2, 128, 129, 358. Militär-=
beamte Mil StG B. (Anm. 5) § 43 u.
153. — Die Bestimmung, daß auch
die Verurtheilung zu mehrjähriger Frei-
heitsstrafe u. zu Polizeiaufsicht den Amts-
verlust nach sich zieht (Pr Disz G. 897)
ist nicht aufgenommen, weil sie als mit
dem St G. unvereinbar erachtet wurde.