IV. 4. Reichsbeamten G. 31. März 73. 211
Rechtsanwalts 109) als Vertheidigers bedienen. Dem Letzteren ist die Einsicht
der Voruntersuchungs-Akten zu gestatten.
§. 102. Die mündliche Verhandlung findet statt, auch wenn der An-
geschuldigte nicht erschienen ist. Derselbe kann sich durch einen Advokaten
oder 1083) Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Disziplinarkammer steht es
jedoch, sofern der Angeschuldigte seinen dienstlichen Wohnsitz im Deutschen
Reiche hat, jederzeit zu, das persönliche Erscheinen des Angeschuldigten
unter der Warnung zu verordnen, daß bei seinem Ausbleiben ein Ver-
theidiger zu seiner Vertretung nicht werde zugelassen werden 10.).
§. 103. Die mündliche Verhandlung ist öffentlich. Die Oeffentlichkeit
kann aus besonderen Gründen auf den Antrag des Angeschuldigten, des
Beamten der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen durch Beschluß der
Disziplinarkammer ausgeschlossen oder auf bestimmte Personen beschränkt
werden. Die Gründe der Ausschließung oder Beschränkung der Oeffentlichkeit
müssen aus dem Sitzungsprotokoll hervorgehen 110).
§. 104 111). Bei der mündlichen Verhandlung wird der wesentliche
Inhalt der Anschuldigungsschrift von dem Beamten der Staatsanwaltschaft
mündlich vorgetragen. Der Angeschuldigte wird vernommen. Gesteht derselbe
die den Gegenstand der Anschuldigung bildenden Thatsachen ein und walten
gegen die Glaubwürdigkeit seines Geständnisses keine Bedenken ob, so be-
schließt die Disziplinarkammer, daß eine Beweisverhandlung nicht stattfinde.
Andernfalls giebt ein von dem Vorsitzenden der Disziplinarkammer
aus der Zahl der Mitglieder ernannter Berichterstatter auf Grund der bis-
herigen Verhandlungen eine Darstellung der Beweisaufnahme, soweit sie sich
auf die in der Anschuldigungsschrift enthaltenen Anschuldigungspunkte bezieht.
Zum Schluß wird der Beamte der Staatsanwaltschaft mit seinem
Vor= und Antrage und der Angeschuldigte mit seiner Vertheidigung gehört.
Dem Angeschuldigten steht das letzte Wort zu.
§. 105. Wenn die Disziplinarkammer vor oder im Laufe der münd-
lichen Verhandlung auf den Antrag des Angeschuldigten oder des Beamten
der Staatsanwaltschaft, oder von Amts wegen die Vernehmung von Zeugen,
sei es vor der Disziplinarkammer oder durch einen beauftragten Beamten,
oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel für angemessen erachtet, so
109) Nicht anderer Personen, wie nach
St PO. s 138, 139 u. 322.
110) Die Oeffentlichkeit ist — ab-
weichend von Preußen Disz G. (Anm. 86)
8 35 — zugelassen, ihr Ausschluß aber
nicht — wie im GV. F 173 — von
bestimmten Voraussetzungen (Gefährdung
der öffentlichen Ordnung oder der Sitt-
lichkeit) abhängig gemacht, sondern in
das freie Ermessen des Gerichts gestellt.
Verfahren Gesch O. (Anl. J) 8§.222.
111) Mit der Oeffentlichkeit (vor. Anm.)
ist — gegenüber dem preuß. Disz G. 835
— auch eine erweiterte Mündlichkeit
verbunden, indem das Verfahren nicht
mit der Sachdarstellung beginnt u. neue
Zeugenvernehmungen auch auf Antrag
der Parteien erfolgen müssen, sofern die
Susesten er eabebli sind § 106, 107 u.
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