212 IV. 4. Reichsbeamten G. 31. März 73.
erläßt sie die erforderliche Verfügung und verlegt nöthigenfalls die Fortsetzung
der Verhandlung auf einen anderen Tag, welcher dem Angeschuldigten bekannt
zu machen ist.
§. 106. Die Vernehmung der Zeugen muß auf Antrag des Beamten
der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten in der mündlichen Ver-
handlung erfolgen, sofern die Thatsachen erheblich sind, über welche die Ver-
nehmung stattfinden soll, und die Disziplinarkammer nicht die Ueberzeugung
gewonnen hat, daß der Antrag nur auf Verschleppung der Sache abzielt.
§. 107. Stehen dem Erscheinen eines Zeugen Krankheit, große Ent-
fernung oder andere unabwendbare Hindernisse entgegen, so ist von der
Disziplinarkammer dessen Vernehmung durch einen damit beauftragten Be-
amten unter Beiladung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten
anzuordnen.
Als große Entfernung im Sinne dieses Gesetzes ist es nicht anzu-
sehen, wenn der Zeuge sich im Bezirke der entscheidenden Disziplinarkammer
aufhält.
§. 108. Bei der Entscheidung hat die Disziplinarkammer, ohne an
positive Beweisregeln gebunden zu sein, nach ihrer freien, aus dem Inbegriffe
der Verhandlungen und Beweise geschöpften Ueberzeugung zu beurtheilen,
inwieweit die Anschuldigung für begründet zu erachten 112).
Ist die Anschuldigung nicht begründet, so spricht die Disziplinarkammer
den Angeschuldigten frei. Vorläufige Freisprechung (Entbindung von der
Instanz) ist nicht statthaft 113). Gegen den freigesprochenen Angeschuldigten
darf wegen der nämlichen den Gegenstand der Anschuldigung bildenden
Handlung ein Disziplinarverfahren nicht wieder eingeleitet werden.
Ist die Anschuldigung begründet, so kann die Entscheidung auch auf
eine bloße Ordnungsstrafe lauten.
Die Entscheidung, welche mit Gründen versehen sein muß, wird in der
Sitzung, in welcher die mündliche Verhandlung beendigt worden ist und
spätestens innerhalb der darauf folgenden vierzehn Tage verkündet. Eine
Ausfertigung der Entscheidung wird dem Angeschuldigten ertheilt 19).
§. 109. Ueber die mündliche Verhandlung wird ein Protokoll auf-
genommen, welches die Namen der Anwesenden und die wesentlichen Momente
der Verhandlung enthalten muß 115). Das Protokoll wird von dem Vor-
sitzenden und dem Protokollführer unterzeichnet.
§. 110. Gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer steht die
112) Einschränkung durch voraufgegan- 114) Gesch O. § 15 u. 224. Zustellung
genes strafgerichtliches Urtheil Anm. 88. RBeamt . s 133.
— Ebenso St PO. § 260. — Verfahren 115) Gesch O. § 225. — Nähere Be-
Gesch O. § 6, 9, 14, 15. stimmungen (Anm. 91) enthält St PO.
113) Mit der St PO. allgemein fort- 8 271—27
gefallen.