Full text: Handbuch der Gesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche. Das Deutsche Reich. (1)

14 I. Reichsverfassung. 2. G. 16. April 71. 
stehen, sofern nicht vor ihrem Eintritt in den Reichsdienst im Wege der 
Reichsgesetzgebung etwas Anderes bestimmt ist, dem Reiche gegenüber die- 
jenigen Rechte zu, welche ihnen in ihrem Heimathslande aus ihrer dienst- 
lichen Stellung zugestanden hatten. 
Art. 19. Wenn Bundesglieder ihre verfassungsmäßigen Bundes- 
pflichten nicht erfüllen, können sie dazu im Wege der Exekution angehalten 
werden. Diese Exekution ist vom Bundesrathe zu beschließen und vom 
Kaiser zu vollstrecken. 
V. Reichstag 71). 
Art. 20. Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen 
mit geheimer Abstimmung hervor. 
Bis zu der gesetzlichen Regelung, welche im §. 5. des Wahlgesetzes 
vom 31. Mai 1869. (Bundesgesetzbl 1869. S. 145.) vorbehalten ist7), 
werden in Bayern 48, in Württemberg 17, in Baden 14, in Hessen südlich 
des Main 6, Elsaß-Lothringen 15 Abgeordnete gewählt, und beträgt 
demnach die Gesammtzahl der Abgeordneten 39778). 
Art. 21. Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den 
Reichstag“). 
Wenn ein Mitglied des Reichstages ein befoldetes Reichsamt oder in 
einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Reichs- 
oder Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang 
oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in 
dem Reichstag und kann seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl 
wieder erlangen. 
Art. 22. Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich 75). 
Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen 75) in den öffentlichen 
Sitzungen des Reichstages bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei?). 
Art. 23. Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz 
F1) Schuß gegen Gewaltthätigkeiten 
StGB. § 1 
*# ruic gilt dieses Wahlgesetz 
(Nr. III 1 d. W.). 
78) G. 25. Juni 73 (Nr. VI 3) § 3. 
74) Ein Abzug vom Gehalt findet bei 
Reichsbeamten nicht statt, die Kosten 
der Stellvertretung trägt die Reichskasse 
RBeamt G. (Nr. IV 4 d. W.) § 14 
Abf. 2. 
75) Der Ausschluß der Oeffent- 
lichkeit ist (nach Vorbild der pr. Vl. 
Art. 79) durch die GeschO. (Anm. 81) 
§ 36 zugelassen. Die Rechtsgültigkeit 
  
dieser, die Verfassung abändernden Be- 
stimmung ist bestritten. 
76) Wahrheitsgetreu bedeutet nicht 
wortgetreu, aber mit dem Hergang über- 
einstimmend. Berichte sind auf die Er- 
zählung zu beschränken, ohne betrachtende 
Zusätze. Die Verhandlungen müssen 
insgesammt oder in einem abgeschlossenen 
Theile, nicht in Bruchstücken, gebracht 
werden URGer. 6. Nov. 88 (Entsch. 
i. Straff. XVIII 208). 
77) Ebenso St GB. § 12 bezüglich der 
Landtagsverhandlungen in den Einzel- 
stagten.
	        
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