Full text: Handbuch der Gesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche. Das Deutsche Reich. (1)

I. Reichsverfassung. 2. G. 16. April 71. 15 
des Reichs Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem 
Bundesrathe resp. Reichskanzler zu überweisen's). 
Art. 24. Die Legislaturperiode des Reichstages dauert fünf'o) Jahre. 
Zur Auflösung des Reichstages während derselben ist ein Beschluß des 
Bundesrathes unter Zustimmung des Keisers erforderlich. 
Art. 25. Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen inner- 
halb eines Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und inner- 
halb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung der Reichstag 
versammelt werden. 
Art. 26. Ohne Zustimmung des Reichstages darf die Vertagungso) 
desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben 
Session nicht wiederholt werden. 
Art. 27. Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und 
entscheidet darüber. 
Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin 
durch eine Geschäfts-Ordnungsl) und erwählt seinen Präsidenten, seine Vize- 
präsidenten und Schriftführer. 
Art. 28. Der Reichstag beschließt nach absoluter Stimmenmehrheit. 
Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der 
gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich. 
(Abs. 2)82). 
Art. 29. 
Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter des ge- 
sammten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. 
Art. 30. 
Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit 
wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes 
78) Die Worte „innerhalb der Kom- 
petenz des Reichs“ sind bedeutungslos, 
da auch Kompetenzerweiterungen im 
Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen 
Art. 78 Abs. 1 u. Anm. 10. — Die 
Adreßberathung u. Interpellation (preuß. 
Vu. Art. 78 u. 81) sind in der RVerf. 
nicht erwähnt, aber in der Gesch O. 
(Anm. 81) § 32 u. 67 vorgesehen. 
79) G. 19. März 88 (RB. 110); vor- 
dem währte sie drei Jahre. — Der Be- 
ginn wird nach herrschender Rechts- 
übung vom Tage der ersten Ein- 
berufung an berechnet. 
90) Die Vertagung (1Unterbrechung 
der Sitzungen) unterscheidet sich von 
der Auflösung, weil sie keine Neuwahl 
erfordert, von der Schließung, weil der 
Wiederzusammentritt nach Ablauf der 
Frist von selbst, ohne Einberufung,statt- 
findet u. die in Berathung befindlichen 
Sachen, die im Falle der Schließung 
als erledigt gelten (Diskontinuität Gesch O. 
  
folg. Anm. 8§ 70) ohne Weiteres wieder 
aufgenommen werden können U'#er. 
25. Feb. 92 (Entsch. in Straff. XXII 
379 
). 
. Gesch O. für den Reichstag (Nr. III2 
W.). — Reichstagsbeamte RBeamt G. 
2 IV 4) § 156. — Die über die Ver- 
handlungen herausgegebenen stenographi- 
schen Berichte enthalten (als Anlagen) 
die Gesetzentwürfe nebst Begründung, 
Denkschriften u. Kommissionsberichte. 
Generalregister bis 95 (Berl. 96). 
32) Der zweite Absatz, der die im 
Art. 7 Abs. 4 für den Bundesrath aus- 
gesprochenen Grundsatz auch auf den 
Reichstag anwendete, ist aufgehoben G. 
24. Feb. 73 (RG. 45), weil er mit 
der Bestimmung, daß die Mitglieder des 
Reichstags Vertreter des ganzen Volkes 
— nicht wie im Bundesrath der Einzel- 
staaten — sind (Art. 29), nicht vereinbar 
erschien.
	        
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