Full text: Handbuch der Gesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche. Der Preußische Staat. (4)

90 I. 2. Anl. L. G. über den Belagerungszustand 4. Juni 51. 
die ihm anvertraute Festung mit ihrem Rayonbezirke, der kommandirende 
General aber den Bezirk des Armeekorps oder einzelne Theile desselben zum 
Zweck der Vertheidigung in Belagerungszustand zu erklären. 
§. 2. Auch für den Fall eines Aufruhrs kann, bei dringender Gefahr 
für die öffentliche Sicherheit, der Belagerungszustand sowohl in Kriegs= als 
in Friedenszeiten erklärt werden. 
Die Erklärung des Belagerungszustandes geht alsdann vom Staats- 
ministerium aus, kann aber provisorisch und vorbehaltlich der sofortigen Be- 
stätigung oder Beseitigung durch dasselbe, in dringenden Fällen, rücksichtlich 
einzelner Orte und Distrikte, durch den obersten Militärbefehlshaber in den- 
selben, auf den Antrag des Verwaltungschefs des Regierungsbezirks, wenn 
aber Gefahr im Verzuge ist, auch ohne diesen Antrag erfolgen. 
In Festungen geht die provisorische Erklärung des Belagerungszustandes 
von dem Festungskommandanten aus. 
§. 3. Die Erklärung des Belagerungszustandes ist bei Trommelschlag 
oder Trompetenschall zu verkünden, und außerdem durch Mittheilung an die 
Gemeindebehörde, durch Anschlag an öffentlichen Plätzen und durch öffentliche 
Blätter ohne Verzug zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. — Die Auf- 
hebung des Belagerungszustandes wird durch Anzeige an die Gemeindebehörde 
und durch die öffentlichen Blätter zur allgemeinen Kenntniß gebracht. 
. 4. Mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes 
geht die vollziehende Gewalt an die Militärbefehlshaber über. Die Civil- 
verwaltungs= und Gemeindebehörden haben den Anordnungen und Aufträgen 
der Militärbefehlshaber Folge zu leisten. 
Für ihre Anordnungen sind die betreffenden Militärbefehlshaber per- 
sönlich verantwortlich. 
§. 5. Wird bei Erklärung des Belagerungszustandes für erforderlich 
erachtet, die Artikel 5. 6. 7. 27. 28. 29. 30. und 36. der Verfassungs- 
urkunde, oder einzelne derselben, zeit= und distriktweise außer Kraft zu setzen 2), 
Das G. ist in die neuen Provinzen 
eingeführt V. 25. Juni 67 (GS. 921) 
Art. II H. insbes. (Enklave Kaulsdorf) 
22. Mai 67 (GS. 729) Art. I u. (Kreis 
Meisenheim) 20. Sept. 67 (GS. 1534) 
§ 1, ferner in das Jadegebiet G. 23. März 
73 (GS. 107) § 2 u. Helgoland V. 
22. März 91 (GS. 39) § 11III. — Es 
hat dann erweiterte Bedeutung für das 
Reich erlangt durch RVerf. Art. 68: 
Der Kaiser kann, wenn die öffent- 
liche Sicherheit in dem Bundesgebiete 
bedroht ist, einen jeden Theil desselben 
in Kriegszustand erklären. Bis zum 
Erlaß eines die Voraussetzungen, die 
  
Form der Verkündigung und die 
Wirkungen einer solchen Erklärung 
regelnden Reichsgesetzes gelten dafür 
die Vorschriften des Preußischen Ge- 
setzes vom 4. Juni 1851. (Gesetz- 
Sammi. für 1851. S. 451 ff.). 
Auf Bayern ist das G. nicht ausgedehnt 
Schlußbest. zu Abschn. XI der RVerf. nebst 
Vtr. 23. Nov. 70 (BGl. 71 S. 9) Nr. VI 
u. auch für Els.-Lothringen erging das 
besondere G. 30. Mai 92 (RB. 667). 
2) Zulässigkeit VII. Art. 111. Die Be- 
stimmungen betreffen die persönliche Frei- 
heit Art. 5, die Unverletzlichkeit der Woh-
	        
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