Full text: Handbuch der Gesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche. Der Preußische Staat. (4)

2. Verfassungsurkunde 31. Jan. 50. 27 
Titel VI. 
Von der richterlichen Gewalt 181). 
Art. 86. Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch 
unabhängige, keiner andern Autorität als der des Gesetzes unterworfene 
Gerichte ausgeübt. 
Die Urtheile werden im Namen des Königs ausgefertigt und vollstreckt 132). 
Art. 87. Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen auf 
ihre Lebenszeit ernannt 133). 
Sie können nur durch Richterspruch aus Gründen, welche die Ge- 
setze vorgesehen haben, ihres Amtes entsetzt oder zeitweise enthoben 
werden. Die vorläufige Amtssuspension, welche nicht kraft des Gesetzes 
eintritt, und die unfreiwillige Versetzung an eine andere Stelle oder in 
den Ruhestand können nur aus den Ursachen und unter den Formen, 
welche im Gesetze angegeben sind, und nur auf Grund eines richter- 
lichen Beschlusses erfolgen. 
Auf die Versetzungen, welche durch Verönderungen in der Organi- 
sation der Gerichte oder ihrer Bezirke nöthig werden, finden diese Be- 
stimmungen keine Anwendung 1534). 
i) Titel VI soll — im Anschluß an 
die Entwickelung in Preußen (Nr. 1 
Abs. 1) — die Unabhängigkeit u. Unbe- 
fangenheit der richterlichen Thätigkeit 
(Art. 86) sichern. Zu diesem Zwecke stellt 
die Vll. die Richter selbständig Art. 87, 
90 u. giebt Grundzüge für die Gestaltung 
der Gerichte Art. 89, 91, ihr Verfahren 
Art. 93 u. ihre Zuständigkeit Art. 94 bis 
97; verb. Art. 7. Die Bestimmungen 
sind größtentheils durch reichsgesetzliche 
Vorschriften ersetzt, die zwar auf gleichen 
Grundsätzen beruhen, aber der Aenderung 
durch die Landesgesetzgebung entzogen sind 
u. für das ganze Reich gelten. 
132) Jetzt gilt für das Reich G#. 8§ 1: 
Die richterliche Gewalt wird 
durch unabhängige, nur dem Ge- 
setze unterworfene Gerichte aus- 
geübt. 
Der Unabhängigkeit dienen auch Vor- 
schriften des GW. § 61—68, 120 bis 
124 u. 133 über Bildung u. Geschäfte der 
Kammern u. Senate bei den Land= u. 
Oberlandesgerichten. — Die Vorschrift, 
daß die Rechtsprechung im Namen des 
Königs erfolgt, gilt fort, da die Justiz- 
hoheit dem König verblieben ist; Ab- 
weichungen Art. 87a. 
  
185) Jetzt gilt für das Reich G G. 8 6: 
Die Ernennung der Richter er- 
folgt auf Lebenszeit. 
Zugleich wird diesen ein festes Gehalt 
u. der Rechtsweg für Vermögensansprüche 
gesichert das. § 7, 9, 11, AG. 24. April 
78 (GS. 230) § 9—11 u. (Aufrückung) 
G. 31. Mai 97 (GS. 157). — Die Er- 
nennung durch den König besteht aus dem 
Anm. 132 angeführten Grunde fort u. 
findet auch auf Handelsrichter Anwendung 
AG. § 7; Abweichungen Art. 87a; Zu- 
ziehung von Hülfsrichtern G. § 69, 
122, 134 n. A. § 5. 
14) Jetzt gilt für das Reich G. 8 : 
Richter können wider ihren 
Willen nur kraft richterlicher 
Entscheidung und nur aus den 
Gründen und unter den Formen, 
welche die Gesetze bestimmen, 
dauernd oder zeitweise ihres 
Amts enthoben oder an eine 
andere Stelle oder in den Ruhe- 
stand versetzt werden. 
Die vorläufige Amtsenthe- 
bung, welche kraft Gesetzes ein-
	        
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