2. Verfassungsurkunde 31. Jan. 50. 31
Titel VIII.
Von den Finanzen 11).
Art. 99.
Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen für jedes
Jahr 145) im Voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht
werden.
Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt 149).
Art. 100. Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, so-
weit sie in den Staatshaushalts-Etat aufgenommen oder durch besondere Ge-
setze angeordnet sind, erhoben werden 150).
Art. 101.
führt werden.
In Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht einge-
Die bestehende Steuergesetzgebung wird einer Revision unterworfen und
dabei jede Bevorzugung abgeschafft 151).
Art. 102. Gebühren können Staats= oder Kommnnalbeamte nur auf
Grund des Gesetzes erheben 150).
1) Titel VIII sichert dem Landtage die
Theilnahme an der Ausübung der Finanz-
gewalt u. umfaßt die Mitwirkung an der
Feststellung des Staatshaushaltsetats Art.
99 u. 104 Abs. 1 nebst der Kontrole
der Finanzverwaltung Art. 104 Abs. 2, 3
(Budgetrecht), die Steuerbewilligung Art.
100—102 u. die Mitwirkung bei Auf-
nahme von Anleihen Art. 103. .
«8)DasEtatsjahrläuftvom1.April
zum 31. März G. 29. Juni 76 (GS.
177) u. wird nach dem seinen größeren
Theil umfassenden Jahre bezeichnet Best.
6. Mai 98 (M B. 154).
1) Die Grundsätze für Aufstellung u.
Behandlung des Staatshaushalts-
etats — aus dem seit Begründung des
Reichs die auf dieses übergegangenen Ein-
nahmen u. Ausgaben (RVerf. Art. 47,
38, 49, 53 Abs. 3, 58 u. 70) ausgeschieden
wurden — sind durch G. 11. Mai 98
(GS. 77) festgestellt. Behandlung im
Landtage Art. 62 Abs. 3 u. Gesch O. f. d.
AH. (Anm. 117) § 26 Abs. 17 u. 5.
Verb. Anm. 107. — Der Etat bildet
staatswirthschaftlich den Plan für die Fi-
nanzverwaltung des Etatsjahres, staats-
rechtlich die unter Zustimmung des Land-
tags zu Stande kommende bindende
Richtschnur für diese Verwaltung. Sie
tritt vorzugsweise für die Leistung von
Ausgaben hervor (Art. 104 Abs. 1), wäh-
rend die Einnahmen, soweit sie aus dem
Vermögen entstammen, sich von selbst er-
geben, soweit sie aus Steuern fließen,
ohne besondere Bewilligung fortzuerheben
sind Art. 109. Die Wirkung des Etats
ist nur diese öffentlichrechtliche; Privat-
rechte u. Privatpflichten werden nicht durch
ihn begründet G. 11. Mai 98 §F 8.
½%0) Art. 109 u. Anm. 107. — Zu den
Abgaben zählen die Gebühren; über die
nicht zur Staatskasse fließenden bestimmt
Art. 102. — Die Steuern zerfallen in
direkte u. indirekte. Während die letzteren
in der Hauptsache auf das Reich über-
gegangen sind RVerf. Art. 38, wurden von
den direkten die Ertragsteuern (Grund= u.
Gebäudesteuer 3 Ges. 21. Mai 61 GS.
253, 317, 327 u. G. 11. Feb. 70 GS.
85, Gewerbe= u. Betriebsteuer G. 24.
Juni 91 GS. 205) behufs zweckentsprechen-
der Regelung der Gemeindebesteuerung
für den Staat außer Hebung gesetzt G.
14. Juli 93 (GS. 119). Als preußische
Staatssteuern kommen hiernach nur
noch in Betracht an direkten Steuern die
Wandergewerbesteuer G. 3. Juli 76 (GS.
247), die Eisenbahnabgabe G. 30. Mai
53 (GS. 449) u. 16. März 67 (GS.
465), die Einkommensteuer G. 24. Juni
91 (GS. 175) u. die Ergänzungssteuer
G. 14. Juli 93 (GS. 134) u. an in-
direkten die Stempelsteuer G. 31. Juli
95 (GS. 413) u. die Erbschaftssteuer G.
91 (GS. 78).
1) Die Verheißung ist durch die Neu-
regelung der Grund= u. Gebäudesteuer
(Anm. 150) erfüllt worden.