Wilhelm van Calker, Die stnatlichen Horrschaftsformen. 141
solutismus, wo trotz der Einsetzung einer geordneten Zivil- und Strafrechtspflege nach wie vor
der Grundsatz Geltung behielt, dass der Landesherr in die Tätigkeit seiner Gerichts- und Ver-
waltungsbehörden jederzeit persönlich eingreifen könne.)
ß) Diebeschränkte Monarchie.
Eine beschränkte Monarchie liegt überall da vor, wo der monarchische Träger der
Staatsgewalt bei der Ausübung der in der Staatsgewalt gelegenen Befugnisse nicht aus-
schliesslich seinen eigenen Willen entscheiden lassen kann. In welcher Weise sein Willen
beschränkt ist — ob lediglich durch gewisse rechtliche Voraussetzungen und Formen der
staatlichen Willensbildung, an deren Einhaltung sich der Monarch seinem Volke oder anderen
Mächten gegenüber unwiderruflich gcbunden hat, oder durch die rechtliche Notwendigkeit der
Beiziehung irgendwelcher anderer Organe bei der Bildung des Staatswillens —, ist für die be-
schränkte Monarchie begrifflich gleichgültig, hat aber bestimmende Bedeutung für die Unter-
scheidung der Unterformen der beschränkten Monarchie.
Es wird sich kaum entscheiden lassen, ob die absolute oder die beschränkte Monarchie
das zeitlich frühere ist. Tatsächliche, wenn auch vielleicht nicht rechtliche, Beschränkungen
des Alleinherrschers kennt jedenfalls schon das älteste uns bekannte Königtum der Aegypter.®)
Für das athenische Königtum ergibt sich das Vorhandensein bestimmter rechtlicher Ein-
schränkungen des Monarchen schon aus dem jenes beherrschenden Gedanken der Volks-
souveränität.®) Auch das Kaisertum des Augustus und seiner Nachfolger ist ursprünglich
jedenfalls keine unumschränkte Monarchie.) Ebenso wissen wir von den Germanen aus der
Zeit des Tacitus und später, dass die Macht ihrer Könige keineswegs eine unbeschränkte war, 5%)
dass vielmehr gerade in den Anfängen des Königtums eine tätige Anteilnahme des Volks bei
entscheidenden Staatsakten besteht.)
aa) Dieständische Monarchie.®)
Die älteste, deutlich ausgeprägte Unterform der beschränkten Monarchie ist die
ständische. Sie ging hervor aus dem Lehnsstaate und hat zum Kennzeichen das Vorhanden-
sein bestimmter, körperschaftlich zusammengeschlossener Geburts- oder Berufsstände, deren
Zustimmung der Landesherr zu zahlreichen wichtigen Regierungsmassnahmen, namentlich
zur Steuererhebung und vielfach auch zur Gesetzgebung, bedurfte. Die Gliederung und
Zusammensetzung, sowie die Befugnisse jener Stände — in der Regel Ritterschaft, Geist-
lichkeit, Städte (Bürgerstand) und zuweilen auch Bauernstand — waren in den verschiedenen
Staaten und zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden.) Ihr wesentlichstes Recht, worauf
die meisten ihrer sonstigen Befugnisse zurückgingen, war das Steuerbewilligungsrecht.
Dieses aber erklärte sich aus der privatrechtlichen Staatsauffassung, welche dem Landes-
herrn nur die durch einen ausdrücklichen Erwerbstitel nachgewiesenen Hoheitsrechte zuge-
stand und demnach namentlich auch die Steuererhebung von einer vorherigen Vereinbarung
des Landesherrn mit den leistungsfähigen Kreisen des Staates abhängig machte. Wesentlich
ist für die alten Landstände, dass sie ursprünglich lediglich als die privatrechtlichen Ver-
52) S, Otto Mayer, I. S. 38 ff.
s)S. Erman, S. 84, und oben S. 133.
“) S. oben S. 133.
s) S. Nies ‚Staat und Gesellschaft der Römer, (in ‚‚Die Kultur der Gegenwart‘, Teil II, Abt. IV. 2;
1910) 1910, S. 241 £.
5) S. Wilutzky III, S. 21.
#) S. Treitschke, II, S. 76; Heusler, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905, S. 22ff.; vgl. auch
Meister, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. A. 1913, $. 15 ff. und die dort angegebene Literatur.
s) S. Jellinek S. 679 (696)ff., Treitschkell, S. 80ff.; Seydel, S. 490ff.; Bornhak,
Allg. Staatslehre, S. 94 ff.; Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht, Leipzig 1905, S. 86 ff.
s.9 Fr S. im einzelnen Schvarcz, Elemente der Politik, Berlin 1895, S. 57 ff. Vgl. auch Bornhak,
. 94 ff.