233 Wilhelm von Blume, Kommunalpolitik.
Wie in der Finanzpolitik des Staates die allgemeine Richtung seiner Wirtschafts-
politik und seiner Sozialpolitik den kürzesten und schlagendsten Ausdruck findet, so ist
auch die Finanzpolitik der Gemeinden der Mittelpunkt der Gesetzgebung und Verwaltung.
Die Herstellung des Gleichgewichts zwischen Ausgaben und Einnahmen ist die Aufgabe
aller Finanzpolitik, so auch der kommunalen. Die Erfüllung dieser Aufgabe wird von Jahr
zu Jahr schwieriger. Steigt die Bevölkerung, so steigen die Aufgaben und steigen die
Aufgaben, so steigen die Ausgaben. Deren Zunahme aber entspricht nicht nur dem
Wachsen der Bevölkerung, sondern übersteigt bei weitem die Bevölkerungsentwicklung.
Die Gründe dafür sind nicht allzuschwer zu sehen. Sie liegen zunächst in der allgemeinen
Staatspolik. Seitdem der Staat bei der Bewilligung von Ausgaben für seine Zwecke häufig
auf den Widerstand der Parlamente stösst, ist es ein häufig verwendetes Mittel der Staatspolitik
geworden, Lasten, die chedem der Staatsbürger als solcher trug, jetzt auf die Gemeinden und ihre
Bürgerschaft abzuwälzen. Diese Staatspolitik kann vielleicht insofern auch aus Gründen der
Billigkeit gerechtfertigt werden, als ja der Zuwachs der Bevölkerung in erster Linie
den Städten zugute kommt und in ihnen auch das Wachstum des Reichtums am stärksten
zutage tritt. Aber esistselbstverständlich, dass diese Uebertragung von Staatsausgaben auf die
Gemeinden in der Finanzpolitik der Gemeinden insofern ihre unerfreulichen Wirkungen äussern
muss, als die Gemeinden hier einer Erhöhung ihrer Ausgaben sich gegenüber schen, die von
ihren eigenen Plänen ganz und gar unabhängig ist. Eine weitere Ursache der Steigerung der Aus-
aben in den Gemeinden liegt in der Zunahme der Ausgaben der grösseren Kommunalverbände,
ie ihrerseits wieder gedeckt werden müssen in erster Linie von den kleineren Kommunal-
verbänden, insbesondere von den Städten. Und endlich sind, wie schon verschiedentlich
hervorgehoben worden ist, die Aufgaben der Gemeinden selbst gewachsen an Zahl und an
Umfang. Die meisten dieser Aufgaben sind nicht ohne Bereitstellung grosser Mittel durch-
zuführen. Es kann aber auch nicht verkannt werden, dass hier und da inden Gemeinden,
wie übrigens auch im Staate, sich die Neigung zeigt Ausgaben zu machen, durch die
die Gemeinde lediglich ihr äusseres Ansehen, nicht aber die Wohlfahrt ihrer Bürger fördert,
ein Bestreben, das mit der allgemeinen Neigung zusammenhängt, die äussere Erscheinung
über das Wesen der Dinge zu setzen. Auf der anderen Seite wird auch durch eine falscha
Art von Sparsamkeit und durch eine falsche Zurückhaltung gegenüber den Bedürfnissen,
zumal durch eine verfehlte Bodenpolitik, nicht selten eine Ausgabe verursacht, häufiger
noch eine Ausgabe vermehrt, die bei schneller und richtiger Erfassung der L
ganz oder wenigstens teilweise hätte erspart werden können. Es dürfte eine Binsenweisheit
sein, dass Sparsamkeıt am falschen Platze Verschwendung ist, dass, wer aus Sparsamkeit
es versäumt das Dach zu flicken, schliesslich genötigt ist die Mauer von neuem aufzuführen.
Und doch sind derartige Erfahrungen des täglichen Lebens in der Politik der grösseren
Verbände keineswegs immer richtig beherzigt worden.
ie die Gemeinde bei der Frage der zu deckenden Ausgaben nicht selten mit der
Staatspolitik in Konflikt gerät, so ist sie auf der anderen Seite auch bei der Beschaffung
der Deckungsmittel in engster Abhängigkeit von der Politik der Staatsverwaltung; eins
Abhängigkeit, die zumal in den Bestimmungen zum Ausdruck kommt, die ihre finanziellen
Massnahmen der Aufsicht der Staatsbehörde unterworfen. Staat und Gemeinden be-
wirtschaften ja beide dasselbe Feld, um von ihm Einnahmen zu erzielen, und die Aus-
einandersetzung zwischen dem engeren und dem weiteren Verbande wird notwendig gerade
an dieser Stelle besonders schwierig sein. Da die Besteuerung des Einkommens und des
Vermögens auf der einen Seite, die Besteuerung der Nahrungs- und Genussmittel auf der
anderen Seite in erster Linie den Staatszwecken dient, in Deutschland die eine denen der
Einzelstaaten die andere denen des Reichs, so bleibt für die Gemeinden nur ein verhältnis-
mässig kleines Gebiet aus dem sie ausschliesslich ihre Einkünfte beziehen können. Hier
sind von besonderer Wichtigkeit einerseits die Steuern auf das Gewerbe und andererseits
die Steuern vom Grund und Boden, die zweckmässig deshalb den Gemeinden überwiesen
werden, weil sowohl die Entwicklung der gewerblichen Verhältnisse wie die Gestaltung der