Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

330 Adolf Wach, Volksrichter und Berufsrichter. 
  
Kriminalistisches.. Man macht sie dazu, indem man sie dem Leben entfremdet. Jedes Straf- 
urteil sollte dem klar Denkenden, gesund Empfindenden, der teil hat an unserm Kultur- 
leben, fassbar sein, wie. wir wünschen müssen, dass der Schuldige es innerlich anzunehmen 
vermag. Leider gehört das Gegenteil vermöge unserer fehlerhaften Gesetzgebung und der 
vielfach in Scholastik ausgearteten Strafrechtswissenschaft zu den alltäglichen Erlebnissen. 
Das aber ist gewiss kein Grund, um den Laien von der Beurteilung der ihm zum mindesten 
in seiner menschlichen Seite durchaus fassbaren Strafsache auszuschliessen. Im Gegen- 
teil, er wird in seiner natürlichen, einfachen Auffassung der Dinge gegenüber dem sogen. 
juristischen Verstand zum gesunden Korrektiv. So kann man ihn zum mindesten überall 
da, wo nicht die spezifische Rechtsfrage gestellt wird, wo es sich um Tat, Schuld und deren 
Abmessung handelt, als Strafrichter sehr wohl verwerten. Ja, man soll und muss es tun. 
Die Volkstümlichkeit des Rechtes ist eines der höchsten rechtspolitischen Ziele. Sie kann 
nicht sein ohne Vertrauen des Volks in die Rechtsprechung. Daher ist es ein unabweisbares 
Postulat im konstitutionellen Staate, der dem Volk die Mündigkeit zuerkennt, es an der 
Rechtsprechung überall da zu beteiligen, wo es ohne Schaden, ja mit Vorteil für die Justiz 
geschehen kann. 
V. Wie kann das geschehen? Zunächst durch eine Selektion der Laienrichter, die 
den oben angedeuteten Gefahren begegnet und möglichst geeignete Kräfte für den Richter- 
dienst heranzieht. In Deutschland verfährt man dabei nicht wie in Frankreich nach einem 
System des Zensus und der Kapazitäten, sondern sucht auf demokratischer Basis Gewähr 
durch die Auswalıl eines Vertrauensmänner-Ausschusses. Aber man begibt sich wichtigen 
Materials, wenn man, wie bisher, Volksschullehrer vom Schöffen- und Geschworenendienst 
ausschliesst. Und wie soll das Gericht gebildet werden? In der Art der Schöffen- oder 
der Geschworenengerichte? In der Jury verkümmert das Richteramt des Laien, wird ihm 
die Strafzumessung und jeder Einfluss auf die Gestaltung des Urteilsstoffs entzogen, wird 
die einheitliche Richteraufgabe widernatürlich und unlogisch zerrissen, entsteht die uner- 
schöpfliche Fehlerquelle der Rechtsbelehrung, der Fragestellung und des Mangels geistiger 
Kommunikation der geschiedenen Urteilsfaktoren: der Geschworenen und der Richter. Der 
angebliche Gewinn der völligen Freiheit der Jury ist Illusion oder doch zu teuer erkauft. 
Im einheitlichen Schöffenkollegium sind alle diese Fehler vermieden, kommt der Laienrichter 
vollwertig zur Geltung, sichert man ihm überdies die Mehrheit, so dass es nur von ihm ab- 
hängt, wie viel seine Stimme gilt. Zur Selbstzucht des Richters gehört, von dem Schöffen- 
element Nutzen zu ziehen und es nicht zu unterdrücken. — Überdies eignet sich nur das 
Schöffengericht zum Berufungsgericht, während das Geschworenengericht mit seinem Orakel- 
spruch sogar jede Berufung unmöglich macht und die Revision wesentlich verengert. 
So gehört neben der Verwendung des Einzelrichters und des Reichsgerichtes die Zukunft 
dem Schöffengericht in allen erstinstanzlichen Strafsachen, — und in der Berufungsinstanz.
	        
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