Friedrich Zahn. Das Deutsche Volk. 193
Israeliten kommen meistens vor im Handels-, Nahrungsmittel-, Bekleidungsgewerbe und in
den freien Berufen. Im übrigen bestätigt die Statistik, dass die Evangelischen und Juden
besonders in Berufszweigen, die akademische Bildung voraussetzen, stärker vertreten sind als
die Katholiken. y
Änderungen im beruflichen Aufbau des Volkes.
Die eben geschilderte Entwicklung der Bevölkerung, ihre grosse Zunahme, die erhöhte Lebens-
kraft auch in den produktiven Altersklassen, der Zug in die Stadt und nach dem Westen zu besseren
Futterplätzen und Futtergegenden steht in Wechselverbindung mit unserem kapitalistischen Zeit-
alter, mit dem Zeitalter der Arbeit, mit dem Zeitalter der Maschine, mit dem Zeitalter des Dampfes
und der Elektrizität, mit dem Zeitalter des Verkehrs. Dieses Zeitalter hat uns eine quanti-
tative und qualitative Steigerung der Erwerbstätigkeit, eine
wirtschaftliche und soziale Umschichtung des Aufbaus unserer
Bevölkerung, eine erhöhte Intensität des gesellschaftlichen
Lebens gebracht.
Was die Erwerbstätigkeit im allgemeinen anlangt, sö wurden bei der
Berufszählung 1907 von 61,7 Millionen Reichsbevölkerung 28 Millionen oder 45,51% ermittelt,
die die eigentliche Arbeitskraft des Volkes repräsentieren. Und zwar schaffen 26,8 Millionen oder
43,46%, unmittelbar für die Volkswirtschaft, 1,3 Millionen oder 2,05% als Hausgesinde.
Für das männliche Geschlecht beträgt die Erwerbsziffer 61,06%, für das weibliche Geschlecht,
in dem die zahlreichen, nur in der Haushaltung tätigen Ehefrauen und Töchter hier ausser Betracht
bleiben, 30,37%.
Im wesentlichen ist es die Bevölkerung im Alter von 14—60 Jahren, auf der die wirtschaft-
liche Leistungsfähigkeit des Reiches beruht. Rund °/,, der Männer dieses Alters üben eine Erwerbs-
tätigkeit aus. Das weibliche Geschlecht ist in erheblicherem Masse nur bis zum 30. Jahr erwerbs-
tätig (55% aller erwerbenden Frauen stehen im Alter von unter 30 Jahren); späterhin wird seine
Tätigkeit mehr durch die Aufgaben der Ehefrauen in Anspruch genommen, die aber als solche —
da nach aussen nicht hervortretend — von der Berufsstatistik nicht registriert wird.
Den übrigen Teil der Bevölkerung bilden 30,2 Millionen nichterwerbstätige
Familienangehörige (48,97%), worunter neben den ebengenannten, mit der Besorgung
des Hauswesens befassten Hausfrauen, die noch nicht und die nicht mehr erwerbstätigen Haus-
haltungsmitglieder inbegriffen sind.
Ferner sind zu nennen 3,4 Millionen (5,52%) sogenannte berufslose Personen —
eine Sammelgruppe, die sich aus Rentnern, Pensionären, auch Armenunterstützten, Anstalts-
insassen und solchen, deren Beruf nicht feststellbar ist, zusammensetzt; diese Berufsgruppe
umfasst Volksteile aus allen anderen Berufsstellungen, die ihnen aber nach den tatsächlichen Ver-
hältnissen nicht mehr, nicht, oder noch nicht zugerechnet werden können.
In den letzten 25 Jahren hatdie Erwerbstätigkeit der Bevölkerung von
41,92% auf 45,51% der Gesamtbevölkerung sich erhöht. An der Mehrung sind beide Ge-
schlechter beteiligt, und zwar stieg die Erwerbsziffer des männlichen Geschlechts von 60,57
auf 61,06%, die des weiblichen Geschlechts von 24,02 auf 30,37%.
Doch hat in dem Mass, wie es die Berufsstatistik zeigt, die weibliche Erwerbstätigkeit
kaum zugenommen. Bei den einschlägigen Zahlen dieser Statistik handelt es sich zweifellos zum
grössten Teil um Verschiebungen formaler Art, die nur auf schärferer Erfassung der Mithilfe von
solchen Familienangehörigen beruhen, die früher in der Gruppe der (nichterwerbstätigen) Familien-
angehörigen gezählt wurden, jetzt dagegen in der Gruppe der Erwerbstätigen erscheinen. Dieser-
halb zeigt sich auch bei der Gruppe der nichterwerbstätigen Familienangehörigen ein Rückgang,
der ebenfalls zum Teil lediglich formaler Natur ist. Immerhin wird tatsächlich — entsprechend
der immer grösseren Einengung des Tätigkeitsbereiches der Familie und dem gesteigerten wirtschaft-
lichen Druck im allgemeinen — ein grosser Teil der Familienangehörigen jetzt ausserhalbder Familien-
wirtschaft mithelfen und früher als ehedem dem eigenen Erwerb nachgehen. In der Landwirt:chaft
Handbuch der Politik. II. Aufinge. Dand II. 13