Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Robert Liefmann, Die Honzentration in der Montanindustrie, 407 
  
Roheisenhersteller, sich Konkurrenz machten und dadurch die Abnehmer jene Produkte zu 
den denkbar niedrigsten Preisen erhielten, bot die Selbstherstellung keine Vorteile für die 
Verbraucher, war vielmehr mit grossem Risiko verbunden, weil eine derartige kombinierte 
Unternehmung unter Umständen die Rohstoffe billiger kaufen konnte, als sie sie selbst 
herstellte, oder, wenn die Lage des weiterverarbeitenden Gewerbszweiges ungünstig war, 
keinen Absatz für die von ihr produzierten Rohstoffe hatte. Das änderte sich aber voll- 
kommen, als an die Stelle freier Konkurrenz die Rohstoffkartelle traten und insbesondere 
das Koblensyndikat die Preise dauernd hochhielt. Jetzt konnten alle Hütten- und Stahlwerke, 
die eigene Zechen besassen, ihren Kohlenbedarf billiger selbst gewinnen, ebenso die Stahl- 
werke ihren Roheisenbedarf billiger als von den betreffenden Syndikaten. So machte die 
Bewegung also Fortschritte und erwies sich auch in der Krisis nach 1900 noch als vorteil- 
haft, weil das Kohlensyndikat seine Preise hochhielt. Sie dehnte sich auch immer mehr auf 
die Weiterverarbeitung aus, wie z. B. grosse Drahtwerke, um den hohen Preisen des Halb- 
zeugverbandes zu entgehen, dazu übergingen, es sich selbst herzustellen. 
Den Nachteil davon hatten natürlich die kleineren sogenannten reinen Weiterver- 
arbeiter, für die sich solche Kombinationen nicht lohnten, dieihre Rohstoffe und Halbfabrikate 
vielmehr zu hohen Preisen von den Kartellen kaufen mussten. Mit der wachsenden Aus- 
dehnung der Kombinationsbewegung verschlechterte sich ihre Lage immer mehr, weil es 
schliesslich, insbesondere für Roheisen und Halbzeug, fast keine „reinen“ Produzenten mehr 
gab, die reinen Weiterverarbeiter alles Material von den grossen kombinierten Werken 
kaufen mussten, die in der Weiterverarbeitung ihre eigenen Konkurrenten wären. Diese 
hatten kein Interesse daran, die reinen Werke am Leben zu erhalten, sie benutzten sie 
höchstens als Puffer gegenüber den Konjunkt hwankungen, aber waren nicht geneigt, 
Kartelle mit ihnen zu schliessen. Daher hat sich auch die Syndizierung der sogenannten 
B-Produkte im Stahlwerksverband, Stabeisen, Bandeisen, gezogenem Draht, Blechen nicht ver- 
wirklichen lassen. Ja, die grossen kombinierten Werke haben die Roheisensyndikate zur 
Auflösung gebracht, da sie kein Roheisen mehr verkaufen. 
Der grösste Teil der reinen Walzwerke wird diesen Verhältnissen gegenüber kaum 
bestehen bleiben können. Ihre Zahl hat sich auch schon durch Angliederungen an die 
ossen Werke erheblich vermindert. Einige wenige vermögen sich durch die sogenannte 
pezialisation, die Beschränkung auf die Herstellung weniger hoch qualifizierter Produkte 
zu erhalten. 
Durch die Bildung grosser Kombinat gen wird also die günstige Wirkung 
festorganisierter Robstoffkartelle, dass alle Abnehmer auf die gleiche Basis gestellt werden 
und damit auch bei ihnen eine grössere Gleichmässigkeit in den Produktionskosten und 
stabilere Verhältnisse herbeigeführt werden, wieder aufgehoben. Aber noch mehr. Der 
Bestand der Rohstoffkartelle überhaupt wird durch sie gefährdet. Schon 1903 machte 
die Erneuerung des Kohlensyndikats grosse Schwierigkeiten, weil es nur unter Einräumung 
sehr grosser Beteiligungsziffern gelang, die den grossen Eisenwerken gehörigen Zechen, die 
namentlich in Zeiten ungünstiger Beschäftigung der Eisenindustrie grosse Kohlenmengen auf 
den Markt brachten, in das Syndikat einzubeziehen. Man musste ihnen den Selbstverbrauch 
von Kohle auf den derselben Unternehmung gehörigen Hütten freigeben, nur die über- 
schiessenden Kohlenmengen müssen sie durch das Syndikat verkaufen. Das hatte die Wirkung, 
dass jetzt auch grosse Kohlenzechen anfingen, sich eigene Eisenwerke anzugliedern 
umgekehrt wie bisher, um ihre Kohle unabhängig vom Syndikat verwerten zu können. 
So erwarb die Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, bis 1904 reine Kohlenproduzentin, 
zwei grosse Eisen- und Stahlwerke. Damit sorgte sie schon für das Jahr 1915 vor, wenn 
das jetzige Kohlensyndikat abläuft und möglicherweise nicht erneuert wird. Sie hat. neuer- 
dings wiederum nicht weniger als 100 Millionen Mark Kapital zur Anlage weiterer grosser 
Eisenwerke aufgewenuc. Da auch andere grosse kombinierte Unternehmungen es so 
machten, um im Falle einer Auflösung der Syndikate „autark“ dazustehen, scheint eine 
Ueberkapitalisation in der Eisenindustrie sebr drobend und damit ist eine neue Schwierigkeit 
  
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