Adolf Matthias, Höhere Schulen. 129
gogische Forderung des Nacheinander statt des Nebeneinander. Von Sexta bis Quarta einschliesslich
wird nur die französische Sprache betrieben, dann kommt für Gymnasium und Realgymnasium
mit Untertertia das Lateinische hinzu; in Untertertia und Obertertia werden Französisch und
Lateinisch gelehrt; in Untersekunda nimmt der gymnasiale Ast Griechisch, der realgymnasiale Ast
Englisch hinzu. Die lateinlose Realschule (Oberrealschule) zweigt sich in Untertertia mit Englisch
als zweiter Fremdsprache ab. — Die Vorteile des Frankfurter Systems bestehen also darin, dass es
die Oberrealschule in ihrem Bestande unberührt lässt, indem es in Untertertia und nicht schon
in Quarta, wie das Altonaer System, das-Englische beginnt und dass es alle drei Anstaltsarten in
dem gemeinsamen Unterbau zusammeniasst. Die Anstalten Altonaer Systems, die überhaupt
nicht zahlreich sind, gehen deshalb allmählich zum Frankfurter System über. Die Mutteranstalt
in Altona wird selbst schon wankend in ihrem eigenen System.
3. Die Frage der Berechtigungen und damit die Frage der Zukunft der drei ver-
schiedenen höheren Lehranstalten wurde durch den Allerhöchsten Erlass vom 26. November 1900
in bester Form entschieden. Bis dahin waren die Berechtigungen im wesentlichen dem Gymnasium
vorbehalten; dieses hatte eine Art von Monopol, die anderen beiden Arten waren gehemmt in ihrer
gesunden Entwicklung durch die Zurücksetzung in ihren Rechten. Der erwähnte Erlass machte
diesem ungesunden und ungerechten Zustande ein Ende, indem er folgenden Grundsatz aussprach:
„Bezüglich der Berechtigungen ist davon auszugehen, dass das Gymnasium, das Realgymnasium
und die Oberrealschule in der Erziehung zur allgemeinen Geistesbildung als gleichwertig anzusehen
sind und nur insofern eine Ergänzung erforderlich bleibt, als es für manche Studien und Berufszweige
noch besonderer Vorkenntnisse bedarf, deren Vermittelung nicht oder doch nicht in demselben Um-
fange zu den Aufgaben jeder Anstalt gehört. Dementsprechend ist auf die Ausdehnung der Be-
rechtigungen der realistischen Anstalten Bedacht zu nehmen.“ Damit ist zugleich der beste Weg
gewiesen, das Ansehen und den Besuch dieser Anstalten zu fördern und so auf die grössere Ver-
allgemeinerung des realistischen Wissens hinzuwirken! Aus diesen Grundsatz wurden zunächst für
Preussen die gegebenen Folgerungen gezogen. Die anderen deutschen Staaten folgten mit grösseren
oder geringeren Klauseln und Vorbedingungen nach. Zur Zeit stellt sich für die einzelnen Berufsarten
die Sache folgendermassen :
Von den Universitätsstudienistdietheologische Fakultät in den Grund-
satz der Gleichberechtigung nicht einbezogen. Für das Theologiestudium ist auch weiterhin Gym-
nasjalreifezeugnis Vorbedingung. Nur in Baden sind für evangelische Theologen die Reifezeugnisse
der Realgymnasien und Öberrealschulen vollgültig.
Für das Studium der Jurisprudenz erhielten in Preussen die Zeugnisse aller drei An-
staltsarten Gleichberechtigung mit der Massgabe, dass die Studierenden der Rechte sich die für ein
gründliches Studium der Quellen des römischen Rechts erforderlichen sprachlichen und sachlichen
Vorkenntnisse anderweit anzueignen haben. Die meisten deutschen Bundesstaaten folgten nach.
Andere stellten grössere oder geringere Vorbedingungen fest. So fordern Lübeck und Hamburg von
den Öberrealschulabiturienten bei der Meldung zum Referendarexamen genügende Kenntnis im
Lateinischen. Bayern lässt diese Schülergattung nur zu nach Erwerb eines gymnasialen oder real-
gymnasialen Reifezeugnisses im Lateinischen. In Braunschweig müssen Realgymnasial- und Ober-
realschulabiturienten vor der Meldung zum Referendarexamen eine Ergänzungsprüfung am Gym-
nasium in Latein ablegen. Die beiden Mecklenburg schliessen Realgymnasial- und Oberreal-
abiturienten aus, Württemberg und Bremen die Oberrealschulabiturienten.
Für de Mediziner ist im ganzen Deutschen Reich gleichmässig die Gleichberechtigung
ausgesprochen mit der Bedingung, dass die Oberrealschulabiturienten bei der Meldung zur medi-
zinıschen Prüfung die Kenntnisse im Lateinischen nachzuweisen haben, die an den Realgymnasien
für die Versetzung in die Öbersekunda gefordert werden. Was diephilosophische Fakultät
anbelangt, so haben für Preussen und die meisten Bundesstaaten die Zeugnisse aller drei Anstalts-
arten gleiche Berechtigung. Bayern, Sachsen, Württemberg und die beiden Mecklenburg schliessen
beim Oberlehrerexamen für Altphilologen die Realgymnasiasten und Oberrealschüler aus, Württem-
berg und die beiden Mecklenburg ebenso die Oberrealschule für das Studium der Neuphilologıe.
Handbuch der Politik. II. Auflage. Band III. I