150 Adolf Wach, Reform des Rechtsunterrichts. Vorbildung des Juristenstandes.
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die dem Studierenden Anschauung gegeben, der Stoff lebendig gemacht, sein „Wirklichkeits-
hunger“ gestillt würde? Auch darüber später.
2. Der Vorbereitungsdienst bringt heute die praktische Schulung. Wie er im
einzelnen, in Ausführung der erwähnten reichsgesetzlichen Vorschriften landesrechtlich ge-
ordnet ist, kann beiseite bleiben. Seine allgemeinen Charakteristika sind, dass er durch alle
Stationen des Justizdienstes in freiwilliger und streitiger Gerichtsbarkeit, im Zivil- und
Strafprozess, beim Amtsgericht und den Landes-Kollegialgerichten, wie der Staatsanwalt-
schaft hindurchführt, dass er zum Teil Dienst beim Anwalt ist, und dass er, auch wenn die
Justizverwaltung das Aufsteigen vom Einfacheren zum Komplizierteren zum Leitmotiv nimmt,
im grossen und ganzen von den Personen abhängt, in deren Hände der Referendar kommt,
dass von einer methodisch geordneten praktischen Ausbildung eigentlich nicht gesprochen
werden kann. Und dieser Vorbereitungsdienst dauert 4 Jahre oder etwas kürzer, füllt also
eine für die Entwickelung der Persönlichkeit entscheidende Zeit. Und was ist das Ergebnis?
Ein grobes Missverhältnis von Zeitaufwand und Erfolg. Selbst da, wo die Referendare nicht
übermässig mit Protokollieren oder anderen unerspriesslichen Geschäften befasst werden,
wie insbesondere in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ist jenes Missverhältnis festzu-
stellen. Erheblich fördernd ist die zeitweilige Wahrnehmung richterlicher Geschäfte oder
die Vertretung des Anwalts, also ein selbständiges Handeln. Durch die Einrichtung von
gemeinschaftlichen Kursen unter Leitung eines Richters wird auf eine methodische Schulung
— in freilich unzureichender Weise — in einzelnen Staaten hingearbeitet,
III.
Bisherige Verbesserungsvorschläge.
Sie befassen sich teils nur mit dem Unhniversitätsunterricht, teils mit dem Vorbereitungs-
dienst, teils mit beiden. Ihre Zahl ist Legion. Nur die wichtigsten können erwähnt werden.
Die Verlängerung des Universitätsstudiums auf vier Jahre hat nur äusser-
lichen Wert, wenn auch anerkannt werden muss, dass der Fülle des Stoffes und der Steigerung
der Aufgaben durch die oft übertrieben zahlreichen Praktika das Triennium nicht mehr
entspricht. Aber wenn das Examenssemester nicht mitzählt, mögen sieben Semester ge-
nügen. Bei angemessener Prüfung ergibt sich solche, tatsächlich schon jetzt geübte Aus-
dehnung der Studienzeit von selbst.
Die Zwisehenprüfung ist, von einem neuerlichen, unten zu besprechenden Vor-
schlag (Zitelmann, Die Vorbildung der Juristen, Leipzig 1909) abgesehen, gedacht als
der Abschluss der propädeutischen Studien, als welche man vorzüglich die historischen an-
sieht, etwa unter Hinzunahme des deutschen Privatrechts (Bayern). Der Wert ist höchst
problematischh Man will den Fleiss steigern. Aber selbst wenn es gelingen sollte, ist der
Preis zu hoch. Die Schulung soll eine einheitliche sein; für sie gibt es keine nur vorbe-
reitenden Disziplinen. Die lehrhaft brauchbare historische Darstellung muss in dem Werde-
gang des geltenden Rechts, nicht im antiquarischen oder vergleichenden Element gipfeln.
Daher ıst es fraglich, ob nicht eine historische Vorlesung der dogmatischen mit grösserem
Nutzen folgt, als vorausgeht. Keinesfalls darf das Historische mit dem Zwischenexamen
abgetan werden. Dazu kommt das ständige, leidige Examinieren. Entscheidend aber ist, falls
man nicht das Prüfungswesen zur Reichssache machen will, die politische partikularisierende
Wirkung solchen Zwischenexamens. Es zerstört die Freizügiskeit der Studierenden, bindet
sie an ihre Landesuniversität. Veränderungen des Inhalts und der Organisation der
Prüfungen überhaupt bleiben ausser Frage. Die in den einzelnen Bundesstaaten
bestehenden Differenzen sollen unter Austausch der Erfahrungen durch Verständigung der
Regierungen möglichst ausgeglichen werden.
Die wichtigsten Reformpläne bezielen ein lIneinandergreifen von theoretischem
und praktischem Unterricht, von Studium und Vorbereitungsdienst. Sie sind in
neuester Zeit besonders laut geworden: ein Rückgriff auf frühere Anregungen (u. a.