83. Abschnitt.
Handelshochschulen.
Von
Prof. Dr. J. Jastrow, Berlin.
Literatur:
Die ausführlichste Darstellung des Betriebes einer Handelshochschule gibt: Jastrow, die Handels-
hochschule Berlin, Rektoratsbericht 1906/09, Berlin, Georg Reimer, 278 [fortgesetzt bis 1912,/3 von Binz]. Vergl.
von demselben:Kaufmannsbildung und Hochschulbildung, Bürgertum und Staatsverwaltung. Zwei akademische
Festreden (ebenda 1907), sowie den Bericht über eine Studienreise durch Nordamerika: Berliner Jahrbuch für
Handel und Industrie, 1904. Die längste zusammenhängende Reihe von Berichten sind die der Handelshochschule
Köln 1901—1912, zuerst vonSchumacher,dann von Eckert (Berlin, Julius Springer). Neueste (internat.)
Übersicht: A. Schmidt-Wien i. Zeitschr. f. Handelswiss u. Handel;praxi3 1913. Sept. Statistisches, Finanzen
etc. bei Obst: ebenda. 1908—1912. — Über die Vorgeschichte orientieren die „Veröffentlichungen des Ver-
bandes für das kaufmännische Unterrichtswesen‘‘ 1897/98, die Schriften von A pt (1900, 1907) sowie vor allem
die Biographie Mevissens von J. Hansen (Berlin 1906) I 824—835, II 627—636 (Denkschrift von 1879). —
Weitere Literatur: Katalog der Bibliothek der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin. 2. A. Berlin 1909,
S. 736—737 (u. Nachträge).
Die deutschen Handelshochschulen wollen solchen jungen Kaufleuten, die ausser der üb-
lichen kaufmännischen Ausbildung für ihre spätere Laufbahn ın einem oder in mehreren Fächern
eingehende wissenschaftliche Studien machen wollen, hierzu in geeigneterer Weise Gelegenheit
bieten, als dies an Universitäten, Technischen Hochschulen, Bergakademien etc. nach deren bis-
heriger Lehrverfassung der Fall sein kann. Ihr Zweck kann ebensowohl in Anlehnung an eine der
genannten Hochschulgattungen, wie in selbständiger Form angestrebt werden. Diese beiden Mög-
lichkeiten ergaben innerhalb des Deutschen Reiches um die Wende vom 19. zum 20. Jahrh. zwei
Typen. Leipzig (begr. 1898) stellt den Studierenden die Vorlesungen der Universität zur Verfügung
und sorgt selbständig nur für solche Vorlesungen, die an der Universität gar nıcht oder nicht in
der angemessenen Art vertreten sind; in ähnlicher Art wurde ın Aachen (1901—1908) mit der An-
lehnung an die Technische Hochschule ein Versuch gemacht, der aber ın der Hauptsache aufgegeben
wurde und nur die Einrichtung handelswissenschaftlicher Vorlesungen innerhalb der Technischen
Hochschule zurückliess. Der entgegengesetzte Typus wurde zuerst in Köln geschaffen (1901):
geschlossene Einheit und Selbständigkeit; Lehrer benachbarter Hochschulen kommen nur Insoweit
in Betracht, als sie in den Lehrkörper der Handelshochschule eintreten; nach demselben Typus:
Berlin 1906, Mannheim 1909, München 1910. Einen in der Entwicklung begriffenen dritten
Typus scheint die „Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften‘“, Frankfurt a. M. (1901)
darzustellen, insofern sie zwar ebenso selbständig wie der Kölner Typus, aber auf Umfassung
eines weiteren Wissenschaftskreises angelegt ist; nach Zustandekommen der Universität Frankfurt
werden hier die kaufmännischen Studien vielleicht am ehesten mit denen der — in Deutschland
immer noch bedeutend unterschätzten — amerikanischen Universitäten (vgl. Jastrow, Reise-
bericht) zu vergleichen sein.
Von den bestehenden 6 Handelshochschulen ist Köln eine städtische Einrichtung, Berlin
eine Einrichtung der dortigen Korporation der Kaufmannschaft; die vier andern sind von mehreren
Körperschaften gemeinsam begründet und von Kuratorien verwaltet. Sie sind sämtlich von den
Landesregierungen (Preussen, Sachsen, Bayern, Baden) als öffentliche Hochschulen anerkannt.
Auch wo der Aufbau selbständig ist, ist vielfach der betr. Landesuniversität eine Vertretung
ım Grossen Rat o. ä. eingeräumt.
Die Verzeichnisse der Vorlesungen und Übungen weisen folgende Fächer auf:
Allgemeine Einführung in die Studien. — Handelswissenschaften, ‚‚Privatwirtschaftslehre‘“ (Betriebs-
lehre des Handels und einzelner Handelszweige, Buchbaltung, kaufmännische Arithmetik). — Volkswirtschafts-
lehre und verwandte Fächer (darin: Kolonialwesen, Versicherungslehre, Genossenschaften; auch Grenz-