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Peter Jessen, Kunstpflege und Kunsterziehung.
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lichen zu verbreiten; sie kann sich dabei auf vielerlei landschaftliche und örtliche Organisationen
stützen. Auch für die Erhaltung eigentümlicher Naturdenkmäler und Landschaftsbilder, wie sie in
der Schöpfung der National Parks in den Vereinigten Staaten begonnen worden ist, hat Preussen
eine amtliche Zentralstelle begründet.?)
Den Museen für Kunst und Kunstgewerbe sınd nach Zeit, Art und Ort verschiedenartige
Aufgaben zugefallen. Aus und neben den Galerien und Kabinetten der Fürsten sind vereinzelt
schon im 18. Jahrhundert (1753 das British Museum, 1793 das Museum im Louvre) und in wachsen-
der Zahl nach der Revolution öffentliche Kunstsammlungen entstanden, zunächst für klassische
Werke der Antike und der neueren Malerei, später für alle Gebiete alter und neuer Kunst und
Kultur, bald auf das Gute aller Zeiten bedacht, bald als Nationalmuseum auf die engere Heimat be-
schränkt; neben den Staatsmuseen gibt es namentlich ın Deutschland Provinz-, Stadt-, Orts-, ja
Dorfmuseen in fast erdrückender Zahl.!0) Den Kunstgewerbemuseen wurde zuerst das Ziel gesteckt,
nicht nur Bestände zu sammeln und zu erhalten, sondern sie nutzbar zu machen für Handwerk und
Kunst unserer Zeit. Auf solche lehrhafte und erziehliche Tätigkeit hat sich unter den deutschen
Kunstmuseen zuerstdie Kunsthallein Hamburggerichtet ;"!) allmählich sınd dıe meisten tätigen Museen
ausser Sammelstellen auch Lehrstätten geworden.!?2) Einen eigenen Typus eines nationalen Volks-
museums hat in Stockholm Hazelius in dem Nordischen Museum mit seinem Freiluftmuseum auf
Skansen geschaffen. Während in Europa die Museen überwiegend aus Öffentlichen Mitteln unter-
halten werden, entsteht in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eine bewundernswerte Schar
neuer Anstalten durch grossartige Stiltungen.!3)
4. Die Fürsorge für die Künstler und die neuen und alten Kunstwerke ergänzt sich neuer-
dings durch das Problem der künstlerischen Bıldungund Erziehung. Die so-
zialen Erwecker und ästhetischen Prediger in England, Männer wie Carlyle, Ruskin, William Mor-
ris, haben der Menschheit das Gewissen geschärft für die tieferen Gründe der künstlerischen Not der
Zeit. Die Werkarbeit, ausgeübt von menschlichen Maschinen, die Kunst ein Luxus der wenigen, der
Sinn für die Grundlagen aller gesunden Kunstarbeit ertötet bei alt und jung: so stellte sich seit
1850 das Kunstleben Europas dar. Wer bessern wıll, darf nıcht nur an mögliche ökonomische Ge-
winne denken, wie einst Colbert und die Gründer des South Kensington Museums; er muss die
Volksseele um des Künstlerischen willen zu packen suchen; es handelt sich nicht um die Volkswirt-
schaft, sondern um ein Problem der nationalen Bildung von tiefem sozialem Wert. In Deutschland
richtete Julius Langbehn (Rembrandt als Erzieher) 1890 dıe Gedanken auf diese Fragen. Praktisch
nahm sich bei uns zuerst die Schule der Sache an. Lichtwark und Konrad Lange!'*) wiesen zuerst
die Wege. In Hamburg schuf die Lehrervereinigung zur Pilege der künstlerischen Bildung die
ersten Organisationen für die Arbeit; der erste Kunsterziehungstag ın Dresden 1901 trug sie in
weitere Kreise.15) Seither ist über das Ganze und seine Einzelheiten eine reiche Literatur ent-
standen.
Unter den Mitteln, um das Auge und die Phantasie des Kindes zu üben und anzuregen,
steht derZeichenunterrichtobenan. In Parıs gab es schon 1776 eine öffentliche Zeichen-
schule; in England wurden Kunst- und Zeichenschulen schon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts
organisiert.16) Auch in Deutschland ist das Zeichnen seit Jahrzehnten als Unterrichtsfach anerkannt.
Doch galt es vor dreissig Jahren oft mehr als Vorübung für künftige Techniker wie als ein not-
®) H. Conwentz, Die Gefährdung der Naturdenkmäler und Vorschläge zu ihrer Erhaltung. 3. Aufl. Berlin1905.
10) Dressler a. a. ©. — V. Scherer, Deutsche Museen. Jena 1913.
11) A. Lichtwark, Die Organisation der Kunsthalle in Hamburg. Hbg. 1837.
12) Die Museen als Volksbildungsstätten. Ergebnisse der 12. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohl-
fahrtseinrichtungen. Berlin 1904.
13) Vgl. Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen,
hreg. von Koetschau. Berlin 1905 ff.
14) Die künstlerische Erziehung der deutschen Jugend. Darmstadt 1893.
15) Kunsterziehung. Ergebnisse und Anregungen des Kunsterziehungstages in Dresden 1901. Leipzig 1902.
16) Waentig a. a. O.