Franz Dochow, Gesundheitspolizei.
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2. Das Verfahren zur Bekämpfung der Seuchenim Inlande entspricht im
wesentlichen dem (oben unter I) erwähnten. Durch Gesetz sind die Seuchen bestimmt, für die eine
Anzeigepflicht besteht, essind dies u. a. Milzbrand, Tollwut, Rotz, Maul- und Klauenseuche,
Lungenseuche des Rindviehs. Die Anzeigepflicht kann auf andere Seuchen ausgedehnt werden.
Die Ermittelungder Seuche erfolgt durch den beamteten Tierarzt, der verdächtige Tiere
einsperren und absondern lässt, sie impft, Blutproben entnimmt oder, wenn es ihm nötig erscheint,
die Tiere tötet und zerlegt, um das Vorhandensein der Seuche feststellen zu können.!?) AnSchutz-
massregeln sind allgemeine gegen die Seuchengefahr überhaupt und solche gegen besondere
Seuchen zu treffen. Im wesentlichen handelt es sich auch hier um eine Einschränkung des Verkehrs.
Von allgemeinen Massregeln seien nur folgende erwähnt: Einschränkung des Verkehrs auf öffent-
lichen Wegen, Überwachung von Molkereien, Viehmärkten, Schlachthöfen, Abdeckereien, Gerbereien,
Fell- und Häutehandlungen. Zum Schutze gegen einzelne Seuchen dienen ausserdem u. a.
noch: polizeiliche Überwachung der erkrankten, verdächtigen oder für die Seuche empfänglichen
Tiere, Beschränkung des Personenverkehrs in den Stallungen, Verbot oder Beschränkung des
Handels mit Tieren, Einschränkung des gemeinsamen Weideganges, Sperre der Ställe, Gehöfte,
Ortschaften und Gemarkungen, Impfung der für die Seuche empfänglichen Tiere, unschädliche
Beseitigung der Kadaver,?°) der Streu und der Abfälle, Reinigung und Desinfektion, Einstellung oder
Beschränkung der Viehmärkte, öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs und des Erlöschens der
Seuche.
Die Zahl der zu ergreifenden Massregeln ist gross, Aufgabe der Verwaltungsbehörden ist es,
sie so durchzuführen, dass unnötige Härten, die den gesamten Wirtschaftsbetrieb stark beeinträch-
tigen können, vermieden werden.
V. Nahrungsmittel, Genussmittelund Gebrauchsgegenstände.
Im Interesse des Verbrauches beaufsichtigt die Polizei den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genuss-
mitteln und Gebrauchsgegenständen.?!) Die reichsrechtliche Grundlage für ıhre Tätigkeit bildet
das Gesetz vom 14. Mai 1879, dazu kommen einige unwesentliche kaiserliche Verordnungen??)
und mehrere wichtige Spezialgesetze.
Die Polizei2®) ist befugt, während der üblichen Geschäftsstunden in die Räumlichkeiten ein-
zutreten, in denen Nahrungsmittel, Genussmittel und Gebrauchsgegenstände (Spielwaren, Tapeten,
Karben, Ess-, Trink- und Kochgeschirre und Petroleum) feilgehalten werden. Sie kann von diesen
Gegenständen dort, wo sie feilgehalten werden, also auch auf Märkten, Plätzen, Strassen oder im
Umherziehen, nach ıhrer Wahl Proben zur Untersuchung gegen Empfangsbescheinigung und gegen
Entschädigung entnehmen. Revisionen darf die Polizei nur bei solchen Personen vornehmen, die
bereits auf Grund des Gesetzes von 1879 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt sind, und zwar bis zum
Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an dem die Freiheitsstrafe verbüsst, verjährt
oder erlassen ist.
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19) Für Tiere, die auf polizeiliche Anordnung getötet oder nach dieser Anordnung an derjenigen Krank-
heit gefallen sind, die zu der Anordnung Veranlassung gegeben hat, ist eine Entschädigung zu gewähren. Vieh-
seuchengesetz $ 66.
%) Vgl. hierzu Bestimmungen des Reichsgesetzes über die Beseitigung von Tierkadavern vom 17. Juni
1911. — Meyer-Dochow * $ 44 8. 19738,
21) Übersicht über die Materjalien und Literatur bei Galli in Stengleins strafr. Nebengesetzen * (1911)
1, 624; Laband *3, 256; Meyer-Dochow ? $S 45 S. 197.
*2) Einen weitgehenden Gebrauch hat der Kaiser von diesem Verordnungsrecht nicht gemacht, die er-
gangenen Verordnungen beziehen sich auf den Verkauf von Petroleum, den Verkehr mit Essigsäure und auf die
Herstellung künstlicher Kaffeebohnen.
22) Über die Organisation der Nahrungsmittelpolizei vgl. Fränkel, Art. -Nahrungsmittelpolizei, Hand-
wörterb. d. Staatsw. ?6, 869 — Landesrechtliche Bestimmungen, die der Polizei weitergehende Befugnisse ein-
räumen, als die $S 2 u. 3 des R.G. von 1879, haben Geltung. -