Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

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188 Franz Dochow, Gesundheitspolizei. 
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Die Nahrungsmittelindustrie hat seit dem Erlass des Gesetzes vom Jahre 1879 eine ungeahnte 
Entwicklung genommen, der die Spezialgesetzgebung Rechnung zu tragen versucht hat.) 
1. Das Gesetz vom 25. Juni 1887 verbietet bei der Anfertigung bestimmter blei- und zinkhaltiger Ge- 
brauchsgegenstände die Verwendung gewisser Metallegierungen, Emaillen und Glasuren. Es handelt sich hier 
vorwiegend um Ess-, Trink-, Kochgeschirre und Spielsachen. 
2. Das Gesetz vom 5. Juli 1887 verbietet die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Her- 
stellung von Nahrungs-, Genuss- und Gebrauchsgegenständen. Zu den geschützten Gegenständen gehören u. a- 
Umhüllungen von Nahrungs- und Genussmitteln, kosmetische Mittel, Spielwaren, künstliche Blumen. Als ge- 
sundheitsgefährliche Farben gelten Farbstoffe aus Antimon, Arsen, Blei, Kupfer, Quecksilber, Zink, Zinn u. a. 
3. Das Gesetz vom 15. Juni 1897 regelt den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln 
(erweitertes Margarinegesetz vom 12. Juni 1887). Herstellung und Verkauf von Margarine, Margarine- 
käse und Kunstspeisefett unterliegen weitgehenden Beschränkungen. Die Geschäftsräume und Verkaufsräume 
müssen nach Möglichkeit getrennt gehalten werden und durch in die Augen fallende Aufschriften gekennzeichnet 
sein; letzteres gilt auch von den Fässern, Umhüllungen und der Ware, die im Einzelverkauf abgesetzt wird. 
4. Das Gesetz vom 3. Juni 1900 regelt die Schlachtvieh- und Fleischbeschau. Schlachttiere, deren Fleisch 
für Menschen verwendet werden soll, unterliegen vor und nach der Schlachtung einer amtlichen Untersuchung. 
Bei Notschlachtungen kann die Untersuchung vor der Schlachtung unterbleiben. »oll das Fleisch nur im eigenen 
Haushalt verwendet werden, so können beide Untersuchungen unterbleiben, wenn sich vor und nach der Schlach- 
tung keine Merkmale einer die Genussfähigkeit des Fleisches ausschliessenden Erkrankung zeigen. (Diese Bestim- 
mung gilt nicht für Kasernen, Krankenhäuser, Speiseanstalten, Haushaltungen der Schlächter, Gastwirte usw., 
Zur Durchführung der Untersuchung sind Schaubezirke gebildet, zu Beschauern werden approbierte Tierärzte 
oder andere Personen bestellt, die genügende Kenntnisse nachweisen. Der Beschauer erklärt das Fleisch für taug 
lich, untauglich oder nur bedingt tauglich. Fleisch, das für nur bedingt tauglich erkannt ist, kann nach Anordnun,, 
der Polizeibehörde zum Genusse für Menschen brauchbar gemacht werden. Wer die Genehmigung erhält, der- 
artiges Fleisch zu vertreiben, muss deutlich auf dessen Beschaffenheit hinweisen. Fleischhändler haben es in ge- 
trennten Räumen feilzuhalten. Wo eine besondere Verkaufsstelle (Freibank) für beanstandetes Fleisch besteht, 
erfolgt der Verkauf nur zum Verbrauch, nicht zum Vertrieb. Die Einfuhr von Fleisch erfolgt nur über vom Bundes- 
rat bestimmte Zollämter, es unterliegt bei der Einfuhr einer amtlichen Untersuchung. Zur Schlachtung bestimmte 
Pferde dürfen nur durch approbierte Tierärzte untersucht werden. Für den Vertrieb und die Verwendung von 
Pferdefleisch gelten die gleichen Bestimmungen wie für beanstandetes Fleisch anderer Schlachttiere, es bedarf 
einer Genehmigung der Polizeibehörde. Der Bundesrat kann diese Bestimmungen auf Esel, Maulesel, Hunde und 
sonstige, seltener zur Schlachtung gelangende Tiere ausdehnen. 
Bei der gewerbsmässigen Zubereitung von Fleisch dürfen Stoffe nicht verwandt werden, die der Ware 
eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit verleihen können oder geeignet sind, eine gesundheitsschädliche oder 
minderwertige Beschaffenheit der Ware zu verdecken. 
5. Das Gesetz vom 6. Juli 1902 (Süssstoffgesetz) bezeichnet als Süssstoffe, die unter dieses Gesetz fallen, 
alle auf künstlichem Wege‘gewonnenen Stoffe, die als Süssmittel dienen können und eine höhere Süsskraft als 
raffinierter Roh- und Rübenzucker, aber nicht entsprechenden Nährwert besitzen. Zur Herstellung des Süss- 
stoffes ist unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zurzeit nur eine Sacharinfabrik ermächtigt, deren Geschäfts- 
betrieb dauernd amtlich überwacht wird. Die Abgabe des Fabrikates erfolgt nur an Apotheken und Personen, 
die eine amtliche Erlaubnis zum Bezuge von Süssstoffen haben, (zu wissenschaftlichen Zwecken, an bestimmte 
Gewerbetreibende, zur Anfertigung von Waren, bei deren Herstellung Zucker nicht zu verwenden ist, an die 
Leiter von. Kranken-, Kur- und Pflegeanstalten, und an Inhaber von Gast- und Schankwirtschaften in Kurorten 
für die Personen, denen der Genuss von Zucker ärztlich untersagt ist). Sonst ist es verboten, Süssstoffe herzu- 
stellen oder Nahrungs- und Genussmitteln bei deren gewerblicher Herstellung zuzusetzen, Süssstoffe oder Nahrungs- 
oder Genussmittel aus dem Auslande einzuführen, feilzuhalten oder zu verkaufen. 
6. Das Gesetz vom 10. Mai 1903 verbietet die Verwendung von weissem und gelben Phosphor zur Her- 
stellung von Zündhölzern und anderen Zündwaren. Fabrikate, die unter Verwendung von Phosphor hergestellt 
sind, dürfen nicht gewerbsmässig feilgehalten, verkauft oder sonst in den Verkehr gebracht, auch zu diesem Zweck 
ın das Zollinland nicht eingeführt werden. Eine Ausnahme besteht für Zündbänder zur Entzündung von Gruben- 
lampen. 
7. Das Gesetz vom 7. April 1909 verbietet, Wein nachzumachen. Wein ist das durch alkoholische Gärung 
aus dem Safte der frischen Weintrauben hergestellte Getränk. Das Gesetz gestattet, Wein aus Erzeugnissen ver- 
schiedener Herkunft oder Jahre herzustellen (Verschnitt), verbietet jedoch die Verwendung von Dessertwein 
(Süd-, Süsswein) zum Verschneiden von weissem Wein anderer Art. Was durch das Gesetz oder die Ausführungs- 
bestimmungen für die Herstellung und den Verkauf von Wein (einschliesslich Schaumwein, Trinkbranntwein, 
Kognak) nicht ausdrücklich gestattet wird, ist verboten. Das Gesetz verpflichtet zur eingehenden Buchführung; 
zur Unterstützung der Kontrollbehörden sind Sachverständige im Hauptberufe zu bestellen. 
Mit dem Erlass dieser Gesetze ist nur ein vorläufiger Abschluss erreicht. 
  
  
  
  
ED —— | 
#4) Materialien und Literatur zu diesen 7 Gesetzen bei Galli in Stengleins strafrechtlichen Nebengesetzen ? 
(18911) 1, 640. — Meyer-Dochow  $ 45 S. 200 7°, 
 
	        
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