Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

Chr. J. Klumker, Armenpolitik. 
  
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ständigem Ersatz anzuleiten suchen. Alle Zwangsversicherungen tragen ıhren Ursprung aus armen- 
pflegerischen Erwägungen in einem Stück dauernden fürsorglichen Charakters an sich. Scharfe 
Grenzen lassen sich hier nicht ziehen, da jene Scheidung, dass dıe Fürsorge sıch mit den einzelnen, 
die Sozialpolitik mit Gruppen befasse, ganz falsch ıst, da dıe Fürsorge selbstverständlich nach 
Kräften Gruppen zu bilden sucht und ganz grosse Gruppen, wie die der verlassenen Kinder, der 
unehelichen Kinder seit alters Gegenstand der Fürsorge gewesen sind. Theoretisch wırd das Kenn- 
zeichen aller Fürsorge, dass die fehlende Wirtschaitlichkeit einer Person durch eine andere für sie 
geleistet wird, als genügende Grenzbestimmung angesehen werden können; praktisch aber hat die 
Begriffsbestimmung wenig Wert, wo die sachlichen Rücksichten gewahrt bleiben, da ın ıhrer Technik 
beide Formen mit den gleichen Mitteln individueller wıe sozialer Erziehung arbeiten müssen und 
eine Lostrennung ihrer Arbeitsgebiete von der allgemeinen persönlichen und Volkserziehung nicht 
denkbar und nicht wünschenswert ist. 
DieVerwertung.der wirtschaftlichen Kräfte der Verarmenden bildet wieder ein selbst- 
ständiges, gut umgrenztes Gebiet der Fürsorge. Hier trıtt sie vollkommen aus dem Rahmen der 
Einkommenpolitik heraus; sie muss sich mit allen Problemen der Wirtschaftspolitik auseinander- 
setzen. Sie spielt, indem sie die Vergeudung zahlreicher wertvoller Arbeitskräfte verhindert, die 
doch mit Einkommen so oder so versorgt werden müssen, eine volkswirtschaftliche Rolle von nicht 
geringer Bedeutung. Wenn sie trotzdem noch nicht genügend gewertet wırd, ja in Streitigkeiten 
wie denen über die Konkurrenz öffentlicher Anstalten gegenüber dem freien Wirtschaftsleben ihre 
Aufgaben völlıg verkannt werden, so ist das ein Standpunkt, der bald überwunden sein wird. 
Wenn wır erst einmal genügend wissenschaftliche Darstellungen des Umfanges und des Inneren 
Einrichtung der Wirtschaftsbetriebe der Fürsorge besitzen, wird auch ihr Ausbau noch rascher als 
bisher voran gehen. Der Leiter solcher Betriebe wird neben dem Unternehmer des freien Verkehrs 
seine gleichberechtigte Stellung einnehmen, ist doch seine Aufgabe diese halben Kräfte zu organi- 
sieren gar oit viel schwieriger als die des Unternehmers, der volle Kräfte zur Verfügung hat. 
Der Rückwirkung solcher Betriebe auf das Wirtschaftsleben wird sorgsame Beachtung zu 
widmen sein. 
Von diesen Grundzügen aus wird dieArmenpolitik die vorhandenenEinrichtungen zu würdigen 
suchen. Von den vielen Problemen, die da auftauchen, seien nur einzelne wichtigere erwähnt. Die 
Frage, wer denn die Fürsorge, die Armenpolitik zu leisten habe, öffentliche und staatliche Organe oder 
freie Vereine und Stiftungen, hat jeweils die verschiedenste Beantwortung gefunden. Staaten mit 
ausgebildeter, öffentlicher Fürsorge, die oft glauben, sogar die freie Tätigkeit leiten und bevor- 
munden zu können, so die meisten Staaten Mitteleuropas stehen neben anderen, wo dıe Hauptlast 
freien Einrichtungen zufällt, wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Am meisten Be- 
denken tauchen Immer wieder gegen Stiftungen auf, die In ihrer harten Unbeweglichkeit beim Wandel, 
dem dıe Verarmung ım Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung unterliegt, früher oder später ver- 
alten müssen und schliesslich nur beim Übergang an die öffentlichen Organe noch genügend umge- 
deutet werden können, um nützlich verwendet zu werden. Sehen doch die meisten Gesetze schon 
heute eine zwangsweise Änderung der Stiftungen vor, wenn ihre Verwendung schädlich wird; eine 
weitere Ausdehnung dieses Zwangs auf Fälle, wo ihre Verwendung unzweckmässig erscheint, wird 
sich schwerlich vermeiden lassen. Die beiden anderen Hauptträger der Fürsorge: öffentliche Be- 
hörden und freie Vereine haben je ihre Vorzüge und Nachteile: Die Sicherheit in der Beschaffung 
der erforderlichen Mittel auf der einen Seite, die Freiheit der Bewegung und die Wärme persönlichen 
Anteils an der selbstgewählten Arbeit bilden den Hauptunterschied, der freilich sich da stark ab- 
schwächt, wo dıe Vereine beim Wachsen ihrer Tätigkeit ebenso mit grossen sicheren Mitteln und 
einem grossen Stab freiwilliger und besoldeter Beamten rechnen müssen, wie die Behörden. Am 
meisten wırd sıch unbedenklich die Aufgabe der Versorgung für behördliche Durchführung eignen, 
weil dort der Kreis der Schützlinge meistens fest umrissen ist und die Formen der Behandlung 
keinem raschen Wandel unterworfen sind. Immerhin wird kein Grund vorliegen, der freien Tätigkeit 
hier, wenn sie aus besonderen Gründen, wie sie vor allem in der Weltanschauung oder persönlichem 
Mitgefühl mit besonderen Gruppen der Versorgten vorliegen können, eingreifen: möchte, den Weg 
zu versperren. Bei den Fragen der Erziehung wird sich dagegen grundsätzlich ein Nebeneinander 
Handbuch der Politik. II. Auflage. Band III. 13 
  
  
  
  
 
	        
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