Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

Ohr. J. Klumker, Armenpolitik. 
   
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öffentlicher und privater Kräfte schon wegen der verschiedensten Richtungen, die vorhanden sind 
und in den Behörden nicht zum genügenden Ausdruck kommen können zu wünschen sein. Vielmehr 
aber wird die freie Hılisarbeit hier deshalb in grossem Umfange erwünscht sein, weil die Vielge- 
staltigkeit der Arbeit, ıhre enge Verknüpfung mit den verschiedenen wirtschaftlichen und gesell- 
schaftlichen Erscheinungen wıe ihr rascher Wechsel und die Notwendigkeit, sie den oft rasch wech- 
selnden Bedürfnisse anzupassen, freie und bewegliche Einrichtungen befördern, wie sie die Behörden 
aller Art nicht in jedem Fall und in ausreichendem Masse schaffen können. Ähnlich liegen die Dinge 
bei der Verwertung unwırtschaftlicher Kräfte, wo eine freie Beweglichkeit durch die Verwickeltheit 
der Aufgaben, eine starke Sıcherung der Einrichtungen mit öffentlichen Mitteln durch die Grösse 
mancher Aufgaben gefordert werden. Im besonderen wırd es sıch bei der Ausgestaltung öffentlicher 
Betriebe fragen, ob die privatwirtschaftliche Rentabilität, die zur Intensifizierung des Betriebes 
und zur Ausstossung minderwertiger Arbeitskräfte führt, in jedem Falle massgebend sein darf. 
Manchmal wırd der volkswirtschaftliche Vorteil, der durch die Verwertung dieser minderen Kräfte 
erreicht wird, den privatwirtschaftlichen Nachteil überwiegen; jedenfalls erfordert dieser Punkt 
vielmehr Beachtung als ıhm meistens bisher geschenkt wird, wobei die Schwierigkeiten solcher 
Organisationen, die von einem gewöhnlichen privaten Betriebe oft stark abweichen müssen, nicht 
gering geschätzt werden sollen. 
Der Gegensatz Öffentlicher und privater Fürsorge deckt sich keineswegs wie ältere Erörte- 
rungen annehmen, heute noch mit dem Gegensatz freiwilliger und besoldeter Arbeit. Die öffentliche 
Fürsorge bedient sich der Mitwirkung freiwilliger Kräfte wohl so ziemlich auf den meisten Gebieten, 
während die private Fürsorge nur bei kleinen Einrichtungen mit freiwilliger Arbeit ausreicht; 
sobald ihr Arbeitsfeld irgend eine beträchtliche Grösse annımmt, muss sie mit besoldeten Kräften 
rechnen. Bei beiden kann man freiwillig und besoldet nicht mehr als Gegensatz anwenden; sie be- 
dürfen beider Arbeitsformen nebeneinander. Das Problem ist heute nur die Art, wie man beide am 
besten verbinden kann. Für beide Formen gilt gleichmässig dıe Forderung der Schulung und Aus- 
bildung zur Fürsorgearbeit. Schon der knappe Überblick über das Hauptarbeitsfeld der Fürsorge 
zeigt wie eng sie mit den verschiedensten und verwickeltsten Aufgaben des Wirtschaitslebens und 
Staatsleben verknüpft ıst. Die kleinste Tätigkeit, die Versorgung eines armen Kindes z. B. führt 
sofort in eine Fülle wırtschaftlicher und rechtlicher Probleme hinein, bringt mit so viel Verwaltungs- 
fragen in Beziehung, dass zu ıhrer gründlichen Durchführung oft nicht geringe Kenntnis und Er- 
fahrung notwendig ıst. Auch wo die freiwilligen Helfer überwiegen, müssen sie eine ausreichende 
Schulung erhalten, um diese Aufgaben mit Verständnis anzupacken. Beı der Verwickeltheit des 
modernen Lebens genügt nicht der gesunde Menschenverstand, der gute Wille und das warme Herz 
allein; sie müssen vom klaren Verstand, von der sorgsam geschulten Erfahrung unterstützt werden. 
Berufliche Arbeit, sei sie besoldet oder ehrenamtlich wird überall gefordert; dıe Heranbringung aus- 
reichenden Nachwuchses von Beamten wie die Schulung der freien Mitarbeiter bilden eines der be- 
deutendsten Probleme, das die öffentliche wie die private Fürsorge heutzutage zu lösen haben. 
Eine Hauptaufgabe gerade der freien Tätigkeit ıst es, dass sıe als Betätigung innerster Hilis- 
bereitschaft für einander eine Gesinnung des Zusammenwirkens, der gegenseitigen Unterstützung 
lebendig erhält und stärkt, auf der alle höhere Kultur, schliesslich auch alle wırtschaftlichen Fort- 
schritte beruhen. Damit schafft sie unersetzliche Werte für das Leben eines Volkes, dıe aus den 
ursprünglichsten Gefühlen unmittelbaren Mitgefühls mit der Not erwachsen. Diese höchste Leistung 
muss die private Fürsorge vor allem in der Mittelbeschaffung, ın ıhrer Finanzpolitik Rechnung 
tragen. Wenn sie durch Mitteilung der Notstände, durch Darstellung der besten Hilfsformen 
Freunde und Gaben gewinnt, erfüllt sie zugleich eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Diese 
beste Art der Finanzierung sollte daher nicht durch wertlose Bazare und Feste, durch Ordens- und 
Titelhandel verdrängt werden, die eine solche höhere Wirkung in keiner Weise haben. 
Je mehr wieder die Bedeutung der Fürsorge für das ganze Gesellschafts- und Wirtschafts- 
leben erkannt wird, um so mehr fragt sich, wie die freie Tätigkeit von unnützen und schädlichen 
Versuchen abgehalten werden könne. Vielfach wünscht man dazu eine staatliche Aufsicht über die 
Vereinsarbeit, wie sie in Nordamerika allerdings neben einer Art Aufsicht der freien Tätigkeit über 
die staatlichen Fürsorgeanstalten vorhanden ist. Man mag über ihre Form streiten; sicherlich kann 
  
  
    
  
  
  
  
 
	        
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