Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand.
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grossen Landstrich zwischen dem Oranjestrom und dem portugisischen Westafrika sein eigen
nannte. Bereits im August 1883 hatte der Reichskanzler den deutschen Konsul in Kapstadt er-
mächtigt, dem Kaufmann Lüderitz seinen konsularischen Schutz zu erteilen, soweit die Unter-
nehmungen sich auf wohlerworbene Rechte stützten und weder mit früheren Rechtsansprüchen
der einheimischen Bevölkerung noch mit solchen der benachbarten Engländer kollidierten. Auf
die erneute Anfrage des Auswärtigen Amtes im November 1883, ob englischerseits Ansprüche auf
das Gebiet erhoben würden und auf welche Rechtstitel sich solche stützten, erklärte die englische
Regierung, dass, obwohl die Souveränetät Ihrer Majestät nicht längs der ganzen Küste, sondern
nur an bestimmten Punkten, wie der Walfischbaı und auf den Inseln vor Angra Pequena proklamiert
worden sei, die grossbritannische Regierung doch der Ansicht wäre, dass irgendwelche Souveränetäts-
oder Jurisdiktionsansprüche einer fremdenMacht aufdasGebietzwischen dersüdlichen Grenzeder portu-
giesischen Oberhoheit am 18. Breitengrad und der Grenze der Kapkolonie in ıhre legitimen Rechte
eingreifen würden. Da indessen England auf eine Okkupation jener Gebiete verzichtet hatte, so
wurde diese mit völkerrechtlichen Grundsätzen im Widerspruch stehende Anschauung von der
deutschen Regierungnicht anerkannt, und als nunmehr das englischeKolonialamt plötzlich versuchte,
die Kapkolonie zur Annexion der gesamten noch herrenlosen Küste von Südwestafrika zu bewegen,
sandte Fürst Bismarck am 24. April 1884 folgendes Telegramm an den deutschen Konsul nach
Kapstadt: „Nach Mitteilungen des Herrn Lüderıtz zweifeln die Kolo-
nialbehörden, ob seine Erwerbungen nördlich vom Oranjefluss
auf deutschen Schutz Anspruch haben. Sıe wollen amtlich erklä-
ren, dass er und seine Nıederlassungen unter dem Schutz des
Reiches stehen.‘ Dieses Telegramm ist als der erste amtliche Akt der Kolonialpolitik des
Deutschen Reiches und der 24. April 1884 mithin als der Geburtstag der deutschen Kolonialgeschichte
zu betrachten. Der Widerspruch Englands wurde auf diplomatischem Wege beseitigt und in einer
Note vom 24. September 1884 erkannte der englische Geschäftsträger ın Berlin dıe deutschen
Erwerbungen an der Küste, welche nicht tatsächlich ın britischem Besıtz waren, bedingungslos
an; von deutscher Seite mussten lediglich die englischen Ansprüche auf die Walfischbai und zwölf
kleine Guanoinseln an der südwestafrikanischen Küste anerkannt werden.
Noch in demselben Jahre erwarb Deutschland den grössten Teil seines heutigen Kolonial-
besitzes, und zwar wandte sich das Interesse zunächst dem nördlichen Teile der Westküste Afrıkas
zu, wo bereits seit mehreren Jahren Hamburger und Bremer Kaufleute ansässig waren, die mit
den Eingeborenen in Handelsbeziehungen standen und bereits im Jahre 1874 das Deutsche Reich
um Schutz ersucht hatten. Da die deutschen Handelsinteressen gefährdet schienen, als im Jahre
1882 Frankreich und England sıch durch einen Vertrag über die Abgrenzung ihrer Besitzungen
an der afrikanıschen Westküste und über gegenseitige Meistbegünstigung der beiderseitigen Unter-
tanen verständigten, so forderte die Reichsregierung — um die einmal eingeleitete Kolonialpolitik
kräftig fortzuführen — die Hansastädte auf, sich über die Lage ihres westafrikanischen Handels
und die für seine Sicherung und Hebung wünschenswerten Massnahmen zu äussern. Da bei diesen
Verhandlungen besonders die Wichtigkeit der Sklavenküste und des Golfes von Guinea betont wurde,
so wurde der bekannte Afrıkaforscher Dr. Nachtigal, der damals Generalkonsul in Tunis
war, zum Reichskommissar für Westairika ernannt und mit weitgehenden Vollmachten betraut.
Im Gebiet von Togo gelang es Nachtigal am 5. Juli 1884, mit den eingeborenen Häuptlingen
einen Schutzvertrag abzuschliessen und zum ersten Male wurde auf afrikanischem Boden die
deutsche Kriegflagge feierlich gehisst, ein Vorgang, der an mehreren anderen Küstenorten sich
wiederholte. Grenzstreitigkeiten mit England und Frankreich wurden auf diplomatischem Wege
ausgeglichen, womit gegen Ende des Jahres 1885 die deutsche Togoküste ebenfalle eine vorläufige
Begrenzung fand. |
Das nächste Ziel Nachtigals war Kamerun, wo Hamburger Kaufleute, besonders die
Firma Woermann, schon seit den 1860 er Jahren Niederlassungen angelegt und ihren Handel zum
bedeutendsten des ganzen Gebiets gestaltet hatten. Die Eifersucht der dort ebenfalls ansässigen
Handelshäuser bestimmte deshalb im Jahre 1882 mehrere Häuptlinge, die britische Oberhoheit
nachzusuchen. Da die Häuptlinge jedoch. keine Antwort erhielten, traten sie ihre Rechte an die
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