Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand. 243
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keiner Staatsgewalt unterworfen ist. Dagegen kann ein Gebiet, welches unter der Souveränetät
des Reiches steht, niemals als Ausland im eigentlichen Sınn bezeichnet werden, und nur in dem
Sinn können die Schutzgebiete als ‚Ausland‘ gelten, im welchem auch innerhalb des Reichs-
gebiets mit Rücksicht auf den beschränkten Geltungsbereich einzelner Reichsgesetze von „Aus-
land‘ und ‚Inland‘ gesprochen wird. So wırd z. B. ın diesem Sınn das Wort „Ausland“ auf
die süddeutschen Staaten angewendet gegenüber den zur Brausteuergemeinschaft gehörigen
Staaten. Tritt auch diese Bedeutung des Ausdrucks ‚Ausland ın den Schutzgebieten ın besonderem
Masse zutage, so ist doch — wie v. Stengel?) treffend bemerkt — ein grundsätzlicher und
qualitativer Unterschied in der Tat nicht vorhanden, wenn einerseits Bayern gegenüber den
Ländern der Brausteuergemeinschaft als ‚Ausland‘ bezeichnet wırd und andererseits die Schutz-
gebiete gegenüber dem Reichsinlande als „Ausland“ gelten.
Die Schutzgebiete gehören mithın staatsrechtlich zum Reich,
sind aber nicht Bundesgebiet im Sinne der Reichsverfassung.
II. Die Schutzgebiete sind ein selbständiges Rechtsgebiet, welches im
Sınne der reichsgesetzlichen Vorschriften bald als „Inland“, bald als
„Ausland“ behandelt wırd.
Aus dem Umstande, dass die Schutzgebiete zwar der Souveränetät des Reiches unterworfen,
aber andererseits doch nicht Bestandteile des Reichsgebietes im Sinne des Art. 1 der R.V. sind,
ergeben sich eigentümliche Rechtsverhältnisse; denn die souveräne Staatsgewalt, welche sowohl
das Mutterland als auch die Schutzgebiete beherrscht, umfasst zweı vollständig selbständige,
scharf gesonderte Rechtsgebiete, nämlich dasjenige des Bundesgebiets des Art. 1 der R.V. und das-
jenige der Schutzgebiete in ihrer Gesamtheit, oder wie Zorn?) sagt: „Das Recht des Deutschen
Reiches gilt nicht in den Kolonien und das Recht der Kolonien gilt nicht im Deutschen Reiche.
Die Übertragung von deutschem Reichsrecht auf die Kolonien bedarf besonderen gesetzgeberischen
Aktes, der für alle oder nur für einzelne Schutzgebiete erfolgen kann; gemeinsam für beide Bestand-
teile des deutschen Staates ist zwar das Recht zur Gesetzgebung, völlig gesondert aber die terri-
torıale Wirkungssphäre. Daraus ergeben sich folgende Rechtsgrundsätze:
1. Die Reichsverfassung und alle auf Grund dieser erlassenen Reichsgesetze gelten grund-
sätzlich in den deutschen Schutzgebieten nicht; sollen sie auch dort Geltung haben, so müssen
sie entweder nachträglich eingeführt werden, oder es muss gleich bei ihrem Erlass ausdrücklich
bestimmt sein, dass sie auch ın den Schutzgebieten Anwendung finden sollen.?®)
2. Staatsverträge gelten nur, wenn sie entweder von vornherein für die Schutzgebiete
ausdrücklich mitabgeschlossen werden, oder wenn die Wirksamkeit der Verträge nachträglich
auf die Schutzgebiete erweitert wird.
3. Der Begriff ‚Ausland‘ in den Reichgesetzen ist auf die Schutzgebiete an sich nicht an-
wendbar; soll er zur Anwendung gelangen, so bedarf es eines ausdrücklichen Zu-
satzes, dass die betreffende Vorschrift auch für die Schutzgebiete gilt.
4. Obgleich die Schutzgebiete staatsrechtlich nicht Ausland sind, so können sie doch ent-
weder ausdrücklich oder stillschweigend als „Ausland‘“ behandelt werden.
Wie aus folgendem hervorgeht, überwiegt auf dem Gebiete des Staats- und Verwaltungs-
rechts naturgemäss der ‚„Ausland“-Charakter der Schutzgebiete, während auf dem Gebiete der
Rechtspflege das Gegenteil der Fall ist.
3) a. a. 0. 8. 35.
8, 978.
#%) Zu dem schwierigen Problem der Geltung der Reichsverfassung in den Kolonien, vgl. Sassen,
Gesetzgebungs- und Verordnungsrecht in den deutschen Kolonien; Giese (Literaturverzeichnis); v. Böckmann
(Literaturverzeichnis).
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