94. Abschnitt.
Kolonialverwaltung.
Von
Dr. H. Edler von Hoffmann,
Professor des öffentlichen Rechts und Studiendirektor an der Akademie für kommunale Verwaltung
ın Düsseldorf.
v. Stengel, Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete 1901; vv. Hoffmann, Ein-
führung in das deutsche Kolonialrecht 1911 (vgl. dort die Literatur zu den Einzelfragen). (sedrängte, jetzt aber
schon in wesentlichen Stücken veraltete Übersichten sind: Köbner, Deutsches Kolonialrecht (Holtzendorff-
Kohlers Enzyklopädie Bd. II) 1903; v. Hoffmann, Deutsches Kolonialrecht (Sammlung Göschen) 1907.
An grösseren, Einzelfragen der Verwaltung behandelnden Monographien seien erwähnt: v. Hoffmann, Ver-
waltungs- und Gerichtsverfassung der deutschen Schutzgebiete 1908; Sassen, Das Gesetzgebungs- und Ver-
ordnungsrecht in den deutschen Kolonien 1909; Radlauer, Finanzielle Selbstverwaltung und Kommunal-
verwaltung der Schutzgebiete 1910; Külz, Die Selbstverwaltung für Deutsch-Südwestafrika 1909; Jäckel,
Die Landgesellschaften 1909 (dort Spezialliteratur zur Landfrage); v. Hoffmann, Das deutsche Kolonial-
gewerberecht 1906; Sassen, Deutsches Kolonialmilitärrecht 1911; Weber, Die koloniale Finanzverwaltung
1909. Regelmässige Literaturübersichten gibt Giese in der Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und
Kolonialwirtschaft; Übersichten über die jährliche Entwickelung der Verwaltung von Fleischmann im
Jahrbuch über die deutschen Kolonien. — Von Bedeutung ist auch die kolonialpolitische Literatur. Als Haupt-
werke seien genannt Leroy-Beaulieu,de la Colonisation chez les peuples modernes; Zimmermann,
Kolonialpolitik; Reinsch, Colonial Administration; Köbner, Einführung in die Koionialpolitik.
Die Erwerbung aussereuropäischer Besitzungen stellte die Reichsregierung vor Verwaltungs-
aufgaben, welche von denen in mancher Hinsicht verschieden sind, deren Lösung den Re-
gierungen des Reiches und der Einzelstaaten innerhalb ihres europäischen Machtbereiches obliegt.
Die grosse Entfernung vom Sitze der Zentralorgane, der nach Art und Grad der Entwickelung
abweichende Zustand der kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse, das Klıma, das Vor-
handensein von Eingeborenen fremder Rasse — alle diese Momente machen es unmöglich, ein-
fach die heimische Verwaltungsorganisation, -gesetzgebung und -praxis auf die Kolonien zu
übertragen, wie das im Verlaufe der französischen Kolonialentwickelung mehrfach geschehen ist,
sondern die Verwaltung hat ihre besonderen, den Zuständen in den Kolonien angepassten Grund-
sätze zu finden. Naturgemäss sind für jede einzelne Kolonialverwaltung bei der Auffindung
dieser Grundsätze die Erfahrungen wertvoll, welche andere Staaten unter ähnlichen Be-
dingungen gemacht haben.*)
1. Die Verwaltungsgesetzgebung.
Das deutsche Kolonialrecht kennt ein formales Gesetzgebungsverfahren, d. h. ein solches,
an welchem die Volksvertretung beteiligt ist. Indessen es wird nur ausnahmsweise angewendet,
vor allem da, wo es sich handelt um die Regelung der Europäerrechtspflege, des Beamtenrechtes,
Gebietsveränderungen, den Etat, Anleihen und Garantieübernahme. Wenn man hier den formalen
Gesetzgebungsakt vollzieht, so geschieht es aus Gründen, die für den einzelnen verschieden sind.
Der Rechtsordnung der Weissen will man die gleichen Garantien wie im Mutterlande geben, um
den sich in den Schutzgebieten vollziehenden Rechtsakten bei den heimischen Gerichten die volle
Anerkennung zu sichern, dem Beamten gibt die gesetzgeberische Regelung seiner Rechtsverhält-
*) Der Übermittelung der Kenntnis von den kolonialen Verwaltung maximen der Staaten europäischer
Kultur ist die Arbeit des Institut Colonial International gewidmet. Äusserst wertvoll ist die vom Institut
veröffentlichte Biblioth&que Coloniale Internationale; es sei auch hingewiesen auf das vom
belgischen Kolonialministerium veröffentlichte Bulletin de Colonisation compar6ee.