Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

„A. Edler von Hoffmann, Kolonialverwaltung. 947 
  
  
  
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nisse sicheren Boden; an der Finanzgesetzgebung ist die heimische Volksvertretung beteiligt, da 
das Mutterland noch vielfach Zuschüsse zur Schutzgebietsverwaltung leisten muss. Die Regel ist 
aber die Teilnahme von Bundesrat und Reichstag an der Kolonialgesetzgebung nicht, vielmehr 
vollzieht sich die Rechtssetzung grundsätzlich auf dem Wege der Verordnung. 
Die grosse Ausdehnung des Verordnungsrechtes in den Schutzgebieten entspricht allge- 
meinen kolonialpolitischen Grundsätzen. In den englischen Kolonien z. B., welche auf dem Wege 
der Eroberung oder der Abtretung erworben sind, ıst die Gesetzgebung königliche Prärogative 
und auch in den durch Besiedelung gewonnenen ist seit 1887 das königliche Verordnungsrecht 
Grundsatz. Der Ausschluss der Volksvertretung von der Rechtssetzung ist durch die Erkenntnis 
gerechtfertigt, dass sie in dem Enntwickelungsstadium einer Kolonie nicht fähig ist, den Bedürf- 
nissen der Lage entsprechend einzugreifen. 
Hat die Kolonie grössere Fortschritte gemacht, so ıst die Beteiligung einer Volksvertretung 
eher zulässig, indessen kann es sich nicht um die mutterländische handeln, der es dauernd an der 
notwendigen eingehenden Sachkenntnis fehlen wird, in der auch die Kolonien keine oder keine 
ausreichende Vertretung haben, sondern die Übertragung des Gesetzgebungsrechtes kann nur, wie 
das auch in den englischen Kolonien geschieht, an gesetzgebende Organe in den Kolonien selbst 
geschehen, denen die nötige Erfahrung zur Seite steht, auch die Feststellung des Etats muss diesen 
kolonialen Organen übertragen werden, sobald die finanzielle Selbständigkeit des Schutzgebietes 
eingetreten ist und damit der Anspruch der heimischen Volksvertretung auf Kontrolle der Finanz- 
verwaltung des einzelnen Schutzgebietes weggefallen ist. 
Wie überhaupt die Rechtssetzung auf dem Verordnungswege die Regel ist, so insbesondere 
für das Gebiet der Verwaltung. Das Verordnungsrecht steht grundsätzlich dem Kaiser zu, dem das 
Schutzgebietsgesetz, indem es ıhm die sogenannte Schutzgewalt übertrug, die Fülle der Gewalt 
verliehen und ihn zum erblichen Monarchen und Landesherrn der Schutzgebiete gemacht hat. 
Der Kaiser kann sein Recht in grösserem oder geringerem Umfange an die unteren Organe delegieren. 
Das Schutzgebietsgesetz hat ausserdem aber selbst eine Übertragung des Verordnungsrechtes 
an solche Organe unmittelbar oder mittelbar vorgenommen. Die Übertragung bezieht sich auf 
„polizeiliche und sonstige die Verwaltung betreffende Vorschriften‘, d. h. auf das Gebiet der ge- 
samten inneren Verwaltung, nicht auf Finanz-, Justiz- und Militärverwaltung. Bei dieser Zu- 
ständigkeit höherer und niederer Organe zur Gesetzgebung ergibt sich die Frage, welches Organ 
ım einzelnen Falle eingreifen soll® Die englische Kolonialpraxis ist die, dass die Gesetzgebung 
innerhalb der einzelnen Kolonie entstehen soll, daher erlässt die Zentralregierung, wenn sie eine 
bestimmte Massregel wünscht, meist nicht selbst die nötigen Anordnungen, sondern sie 
gibt der örtlichen Regierung Anweisung, auf das Inkrafttreten der betreffenden Rechtssätze hin- 
zuwirken. Die deutsche Praxis ist die, dass Dinge, welche gleichmässig für mehrere Schutzgebiete 
geregelt werden können, durch Verordnung der Zentralregierung ihre Regelung finden, während 
im übrigen meist die örtlichen Organe die Verwaltungsgesetzgebung handhaben. 
  
   
  
1I. Die Organisation der Verwaltung. 
Drei Prinzipienfragen sind für die Organısation der Kolonialverwaltung von Bedeutung. 
Sie seien durch dıe Worte: Unterregierung, Selbstverwaltung, Eingeborenenverwaltung angedeutet. 
Es besteht ınfolge der grossen räumlichen Entfernung zwischen Mutterland und Kolonie 
tür die Zentralorgane eine gewisse Schwierigkeit, die Regierung zu führen. Handlungen, die sonst 
von den Zentralorganen des Staates vorgenommen werden, müssen in der Kolonialverwaltung 
örtlichen Stellen überlassen werden, die in sachdienlicher und beschleunigter Weise einzugreifen 
vermögen. Es ergibt sıch daraus eine so umfassende Vollmacht der örtlichen Kolonialregierung, 
dass ihre Tätigkeit Ähnlichkeit mit derjenigen der höchsten Stellen im Staate erhält, ohne dass 
doch die staatsrechtliche Abhängigkeit von der Zentralregierung in Frage stände. Man kann die 
örtliche Kolonialverwaltung danach als Unterregierung bezeichnen. Welchen Umfang die 
Vollmachten der Unterregierung annehmen müssen, lässt sich nicht grundsätzlich bestimmen, Man 
wird nur sagen können, dass sie nicht zu gering bemessen sein dürfen, da sonst der Regierungsapparat 
  
 
	        
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