Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
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H. Edler von Hoffmann, Kolonialverwaltung. 
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nıcht genügend schnell und durchgreifend funktionieren kann. In den Schutzgebieten ist nicht 
selten über die allzu grosse Abhängigkeit der örtlichen von der heimischen Zentralregierung ge- 
klagt worden. Andererseits kann auch die übermässige Ausdehnung der Vollmachten vom Übel 
sein, insbesondere ist in der Regel die Übertragung vizeköniglicher Gewalt zu vermeiden, be- 
sonders wo es sıch um Kolonien handelt, ın welchen diese Gewalt nicht durch eine Volksvertretung 
beschränkt werden kann. So besitzen denn auch die Unterregierungen in den Schutzgebieten, die 
Gouvernements, nıcht vızekönigliche Vollmachten 
Die zweite Frage ıst die der. kolonialen Selbstverwaltung. Sie ist nicht 'mit der 
Frage der Unterregierung identisch. Letztere betrifft nur den Umfang der Vol machten, erstere 
die Organe, denen dıe Vollmachten übertragen sınd. Die Unterregierung kann auch Selbstver- 
waltungsorganen übertragen sein, so den parlamentarischen Kolonialregierungen in Canada, Neu- 
fundland, Südafrıka, Australien, Neu-Seeland; ebenso aber ist sie den nicht konstitutionell be- 
schränkten reinen Staatsverwaltungsorganen, den Gouvernements, in den Kolonien der euro- 
päischen Staaten verliehen. — Die Einrichtung der vielfach geforderten Selbstverwaltung der ein- 
zelnen Kolonien ıst von gewissen Voraussetzungen abhängig. Es ist notwendig, dass die Kolonie 
bereits eine gewisse kulturelle Höhe erreicht hat, dass sie insbesondere finanziell auf eigenen Füssen 
steht. Nur unter dıeser Bed'ngung kann Ihr die massgebende Verfügung über den Haushalt zu- 
gestanden werden. Eine Selbstverwaltung unter Beteiligung einer Volksvertretung im europäischen 
Sinne wird immer nur da möglich sein, wo es sich um Ansiedelungskolonien d. h. Kolonien mit 
dauernd ansässıger Bevölkerung handelt, wo also dıe Zustände den europäischen verhältnismässig 
ähnlich sınd. In sog. Plantagenkolonien, in denen die Weissen nur vorübergehend und in kleinerer 
Zahl ansässıg sınd, und ın denen das farbige Element meist überwiegt, ıst dıe Einsetzung einer 
gewählten Volksvertretung politisch bedenklich. Die Beteiligung der Farbigen an ıhr würde die 
europäische Herrschaft gefährden, ein nur aus gewählten Weissen bestehendes Parlament würde 
einseitig den Interessen der Weissen dienen und zur Benachteiligung der farbigen Bevölkerung 
führen. Einer aus Weissen bestehenden Vertretung der Kolonialbevölkerung kann dann ein be- 
stıimmender Einfluss gewährt werden, wenn ıhre Zusammensetzung Bürgschaft dafür bietet, dass 
dıe Interessen der Farbigen wahrgenommen werden. Diese Zusammensetzung ıst aber nur dann 
gesichert, wenn die Regierung sie ganz oder teilweise bestimmt, indem sie Mitglieder frei oder auf 
Vorschlag ernennt, Beamte an der Vertretung teilnehmen lässt und u. a. m. 
Die deutschen Schutzgebiete besitzen bisher noch keine Selbstverwaltung. Zwar wurde 
sie ıhnen zu Beginn der neuen, 1906 einsetzenden Ara der deutschen Kolonialpolitik verheissen. 
Die Regierung verstand aber unter Selbstverwaltung die Verwaltung der lokalen, insbesondere 
der finanziellen Angelegenheiten eines jeden Schutzgebietes durch Organe, die ihren Sıtz ım Schutz- 
gebiete haben. Eine solche Massnahme bedeutete zunächst nur Dezentralisierung, Verstärkung 
der Gewalt der örtlichen Organe, also Ausbau der Unterregierung. Verleihung der Selbstverwal- 
tung war sie nur dann, wenn die Organe als solche einer Selbstverwaltung angesehen werden können. 
Es kommt in erster Linie das Gouvernement in Frage, dieses ist aber ein aus Berufsbeamten zusammen- 
gesetztes Organ der reinen Staatsverwaltung. Es kommen weiter in Betracht die Gouvernements- 
räte und der Landesrat in Südwestafrika. In ihnen findet die Schutzgebietsbevölkerung ihre Ver- 
tretung, sie sind bei der Ausübung der Verordnungs- und der Finanzgewalt beteiligt, aber es fehlt 
ihnen das Recht, bindende Beschlüsse zu fassen, ihre Beschlüsse sind vielmehr nur Gutachten. 
Eine solche Funktion mit dem Namen der Selbstverwaltung belegen heisst doch diesen Begriff 
zu weit fassen. 
Die dritte grundsätzliche Frage betrifft die Organisation der Herrschaft über die Farbigen, 
die Eingeborenenverwaltung. Die Erfahrung hat hier gelehrt, dass es nicht zweck- 
mässig ıst, eine reine Verwaltung durch Europäer einzuführen. Wenn auch der weısse Beamte 
als höhere Instanz die Herrschaftsrechte des Kolonialstaates wahrzunehmen berufen ıst, so liegt 
es andererseits doch nicht im Interesse der Verwaltung, die Gewalten, die sie vorfand, zu vernichten 
und zur alleinigen Autorität für die Eingeborenen zu werden. Es empfiehlt sich vielmehr, sıch das 
Ansehen, welches die Gewalthaber der Eingeborenen besitzen, zunutze zu machen, indem man 
sie dem Verwaltungsorganismus einfügt. In welcher Weise das geschieht, das hängt ganz von den 
  
  
  
 
	        
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