Willibald Stavenhagen, Das Deutsche Volksheer. 981
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gemeine und militärische Bildung befähigen und berechtigen allein zu diesem Führerberuf, der
auch erhebliche Anforderungen an die Nervenkrait stellt.
2 Das aktive Offizierkorps ist ferner die Wiege für die wirklichen kriegerischen Genien, die in
sich die höchste Harmonie aller militärischen, kulturellen und nationalen Kräfte vereinigen: die
schöpferischen Feldherrnnaturen, die eigentlichen Kriegskünstler, die ebenso selten wie
die grossen Staatsmänner sind. Sie schaffen als starke Persönlichkeiten die lebendige Tradition
eines Heeres, die über das Grab hinausreicht, sie sind dıe Flamme, an der sich die jungen Genera-
tionen erwärmen, das grosse Licht, von dem sich neue Gedanken entzünden, die vor geistloser Nach-
ahmung und dem Schema, das vor dem Feinde versagt, schützen. Ihrer oft ım Nebel der Ungewiss-
heit und unter dem Druck schwerster Verantwortung erfolgenden, für das Kriegsergebnis ent -
scheidenden Tätigkeit sind freilich bei den heutigen Massenheeren engere Grenzen gesteckt.”)
Als Stütze und Gehilfen steht den Offizieren ein zwar länger als die Mannschaften dienendes,
aber nicht zu den Berufssoldaten zählendes Unteroffizıerkorps von möglichst erweiterter
Schulbildung zur Seite. Es hilft die wehrfähige deutsche Jugend zu Treue und Tapferkeit, guter
Sitte, Gehorsam und unbedingtem Pflichtgefühl auf Grundlage der Gottesfurcht, des Opfermutes
der eigenen Person für das Vaterland erziehen. Nur dann ist eine gute Manneszuchtder
Truppe möglich, die den Grundpfeiler der Armee und die Vorbedingung für jeden
Erfolg bildet.
Das unter den Waffen befindliche aktive Heer mit herabgesetzter Dienstpflicht und hoher
Friedenspräsenzstärke ist zugleich die Schule und der Rahmen der die Feldarmee verstärkenden
und mit ihr organisch verbundenen Reserve-, Landwehr- und Landsturm-
truppen, für welche Ersatzformationen im Kriege immer neue Ergänzung lıefern. Die Heran-
bildung kriegsbrauchbarer Offiziere und Unteroffiziere des Beurlaubtenstandes ıst eine der wıchtig-
sten Aufgaben der dafür verantwortlichen aktiven Offiziere. Erst durch diese mit starken aktıven
Stämmen durchsetzte eigentliche Volkswehr entsteht das Gesamtheer, die krıegerisch organı-
sierte Volkskraft, das begeisterte und aufopferungsfreudige ‚Volk in Waffen‘, wıe es dıe heute ım
Zeitalter der Masse und der Maschine erforderlichen Millionenaufgebote nötig machen. Es bildet
also eine eigenartige Verbindung zwischen dem stehenden Berufsheer des Friedens und der im
Kriege erweiterten Miliz,’) die aber die Mängel beider vermeidet und ihre Vorzüge vereinigt.
td Kein Staat Europas kann ein schlagfertiges Offensivheer, das das Haupt der Kriegsverfassung,
die verkörperte Würde und Hoheit des Staats, in Tätigkeit setzt, ihm den einheitlichen Impuls und
die Richtung gibt und es im stets schlagfertigen Zustand erhält, weniger entbehren als das
Deutsche Reich, das durch sein Heer geschaffen wurde. Bei seiner die Kriegsgefahr ver-
stärkenden, weil leicht einkreisbaren Lage im Herzen des Kontinents, der Gestalt und Zugänglich-
keit seiner Land- und Seegrenzen mit dreien der stärksten Militärmächte und vier kleineren Staaten
als Nachbarn, sowie einer breiten Küstenfront und fernen Kolonien, dıe im Mutterlande zu schützen
sind, ist, zumal bei dem vorwiegend festländischen Charakter seiner geschichtlichen Entwicklung
und seiner monarchischen Staatsform in erster Linie die Armee, das Volksheer, unerlässlich für
seine Machtstellung und eine kraftvolle Politik nach aussen und innen. Das Dasein des Reichs
bleibt mit ihr unauflöslich verknüpft, und es wird kein europäischer Krieg entbrennen, ın den wır
Deutsche nicht verwickelt werden, um dann um unser Schicksal ringen zu müssen.
Pi Gewiss entzieht das Heer jährlich an 660 000 arbeitskräftige Männer der Volkswirtschaft, was eine Eın-
busse von etwa 660 Millionen am Volksvermögen bedeutet und bei der gebotenen Durchdringung von Wehrkraft
und Finanzwesen sicher sehr ins Gewicht fällt. Aber diese ‚‚Versicherungsprämie‘für den ganzen lebenden und
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2) Feldherren werden zwar geboren, sie müssen aber auch erzogen werden. Die grössten Aussichten für
eine vorzügliche Heeresführung sind da vorhanden, wo ein absoluter Herrscher zugleich sein eigener und zwar
ein geborener Feldherr ist, wie dies bei Friedrich dem Grossen und Napoleon I. der Fall war. Sie verfügten un-
umschränkt über die gösamten Mittel des Staats. Im monarchischen Deutschland, wo der Kaiser zugleich Oberster
Kriegsherr ist, liegen die Verhältnisse auch heute günstiger für den Oberbefehl als in bürgerlichen Republiken.
>) Milizartige Heere eignen sich wohl für Staaten wie die Schweiz, Norwegen usw., nicht aber für
Grossmächte, da sind sie ein Trugbild voller Gefahren! Und nehmen zudem die Wehrpflichtigen stärker in
Anspruch.