Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
9094 Willibald Stavenhagen, Das Deutsche Volksheer. 
  
Offizier erwachsen ihm vielfach Standesschwierigkeiten, die unter allen Umständen energisch zu beheben sind, 
denn niemals können die Aerzte des Beurlaubtenstandes im Kriege ein vollgiltiger Ersatz sein. 
Ferner gibt esein Veterinär-Offizierkorps (810 Köpfe), das hauptsächlich für die berittenen 
Waffen und die Verkehrstruppen gebildet ist. Es steht unter der vom A.K.D. ressortierenden Militär-Veterinär- 
In poktion und wird auf der Militär-Veterinär-Akademie (unter einem General-Veterinär als Direktor) heran- 
gebildet. 
Für rein technische Zwecke sind aus dem Unteroffizierkorps hervorgehende Zeug- und Feuer- 
werksoffiziere (bei der Artillerie und ihren Anstalten) und Festungsbauoffiziere (beim 
Ingenieurkorps bzw. den Fortifikationen) vorhanden. Die sich teilweise aus dem aktiven Offizierkorps ergänzende 
ungemein wichtige Intendantur ist reformbedürftig. Sie ressortiert vom Kriegsministerium wie von den 
Truppenbefehlshabern und den militärischen Instituten.®) 
Das Militärkirchenwesen (mit der dem Kriegsministerium unterstellten evangelischen und 
katholischen Feldpropstei an der Spitze) bedarf der einheitlichen Regelung, es herrscht jetzt Zersplitterung. 
Das Reichsmilitärgericht (Budget 1912: 534 819 M.), mit einem General, der zugleich Bevoll- 
mächtigter zum Bundesrat ist, als Präsidenten, besteht aus 3 Senaten (davon ein bayerischer) und ausseretats- 
mässigen militärischen Mitgliedern sowie der Militär-Anwaltschaft.?”) Das Militärstrafgesetzbuch entspricht nicht 
mehr den Zeitverhältnissen, sondern noch den Anschauungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und muss nach 
Inhalt und Ausdruck vereinfacht werden, besonders aber ist der Abschnitt ‚‚Strafen‘ gründlich zu ändern. Die 
Justiz- und Gerichtsorganisation hat sich dagegen im allgemeinen bewährt (Kriegsgerichtsräte als rechtsgelehrte 
Richter). Die militärischen Strafanstalten stehen unter einer Inspektion. 
Für das Bekleidungswesen befinden sich bei den Armeekorps militärische Bekleidungsämter, 
das Rechnungswesen bei den Truppen besorgen Ober-, Zahl- und Unterzahlmeister (1593). 
Die Landgendarmerie steht unter einem General als Chef und ihr Offizierkorps ergänzt sich 
aus der Armee. Es haben nur pensioniertehalbinvalide Offiziere Aussicht auf Anstellung als Brigadiers 
oder Distrikts-Offiziere, bzw. Adjutanten. 
c) Pferdebeschalfung (Remontewesen). 
Sie liegt in den Händen der von der Remonte-Inspektion des Kr.-Min. abhängenden Remonte- 
kommissionen und Pferdevormusterungskommissare und erfolgt mittels Ankaufs beim 
Züchter und Händler. Es werden jährlich dafür etwa 20 Millionen M. ausgegeben und 60 Millionen für Hafer, 
Heu und Stroh. 1912 wurden z. B. in Preussen von 23 605 vorgestellten Pferden 11 244, d. h..48 v. H., m Sachsen 
von 1735 gar 1328 (76 v. H.), für das ganze Reich 15 103 zum Durchschnittspreis von 1065 M. für die Remonte 
(Dienst-, Chargen- und Krümperpferde) eingestellt. Für die minderjährigen Pferde gibt es 26 Remonte- 
depots unter Administration. 
Die Landespferdezucht steht auf der Höhe, besonders die Edelzucht des warmblütigen Kavalleriepferdes, 
das mit geringer Ausnahme ÖOstpreussen und Hannover liefert. Aber auch die (übrigens empfindliche) Kalt- 
blutzucht (für Zugpferde, besonders der schweren Artillerie des Feldheeres) dringt vor, namentlich in den Rhein- 
landen, Schleswig und Oldenburg. 4350 000 Pferde, Ese) und Maultiere decken reichlich den Kriegsbedarf an Reit-, 
Zug- und Tragtieren, der Friedensetat beläuft sich auf etwa 157 000 Dienstpferde. 
d) Ergänzung und Beschaffung von Kriezsmaterial.?®) 
Sie erfolgt teils von staatlichen Betrieben (Artillerie-Werkstätten, Geschützgiesserei, Geschoss- 
fabriken, Feuerwerkslaboratorien, Pulverfabriken usw.), teils und sehr wesentlich durch die Priva tindustrie 
(Krupp, Ehrhardt, A. E. G., Siemens-Schuckert, die grossen Automobilfirmen, Luftfahrzeugfabriken usw.). Eine 
grosse Rolle spielt schon heute — mit wachsender Tendenz — das Kraftfahrzeug im Heeresdienst. Der 
Kriegsbedarf von etwa 1000 Armeelastzügen zum Fortschaffen der Verpflegung, der Munition usw. für etwa 
30 Armeekorps ist durch ein vorbildliches ‚‚Subventionssystem‘‘, das die Einbürgerung von kriegsbrauchbaren 
und stets auf der Höhe der Zeit stehenden Kraftfahrzeugen, besonders von Lastwagen, im bürgerlichen Leben 
der Armee sichert, ohne sie zur Beschaffung zu zwingen und so der Gefahr des Veraltens der Wagen auszu- 
setzen, reichlich gedeckt.??) Ebenso gibt es leistungsfähige Luftfahrzeug werften: die Armee besitzt heute 
ERBE 
26) Ihr sind die Vorstände der Proviantämter und Armee-Konservenfabriken, der Militär-Bauämter und 
Garnison-Verwaltungen unterstellt. 
2”) 1910 wurden im Militärgerichtsverfahren 14 822 Mann angeklagt, 12917 verurteilt, 1735 frei- 
gesprochen, bei 170 das Verfahren eingestellt. Die Zahl der Soldatenmissbandlungen ist in steter Abnahme 
begriffen. Die rechtliche Stellung der Militärpersonen zu den bürgerlichen Gerichten ist geregelt. 
28) Hierbei wäre unserer Heeresverwaltung mehr kaufmännischer Geist zu wünschen, der erheb- 
liche Ersparnisse zu machen gestattet und jedes geschäftlich unkluge Monopol vermeidet, die eigenen Staats- 
betriebe vermehrt und verstärkt. Eine auf Veranlassung des Reichstages zusammengetretene Rüstungskommission 
soll entsprechende Vorschläge machen, und dürfte schliesslich eine besondere wirtschaftliche Gesetzgebung bezüg- 
lich des Heereslieferungs- und Ausrüstungswesens das Endergebnis werden. Auch muss jedem Monopol in der 
Herstellung der Druckwerke (Vorschriften, Reglements und sonstigen Militärliteratur amtlichen Charakters) 
entgegengetreten werden. 
22) Am 1. I. 13 gab es in Deutschland 77 789 Kraftfahrzeuge, davon 70 085 oder 91 v. H. Personen- und 
7704 oder 9,0 v. H. Lastkraftwagen, und in etwa 60 Fabriken wurden 16 000 Fahrzeuge im Wert von 115 Mill. M. 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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