P. Koch, Bestand und Mehrung der Kriegsmarine.
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Durch das Flottengesetz ıst nur die Organisation der Schlachtflotte und der Bestand der
Auslandsschiffe geregelt. Es umfasst nicht die für den Ausbildungsbetrieb notwendigen Schiffe,
ferner nicht die Zahl der Torpedoboote und endlich nicht die neue Waffe der Unterseeboote, an
deren militärischem Wert nicht mehr zu zweifeln ıst, und die doch allzulange ihre Bedeutung mehr
im Streit der politischen Parteien fanden.
Schon General v. Caprivi hatte — seinerzeit allerdings für die Linienschiffe — vor dem
Luxus fehlgeschlagener Experimente gewarnt, es wird für alle Zeiten dem Chef der Marineverwaltung
hoch angerechnet werden müssen, dass er auch bei diesen Booten erst vorging, nachdem durch das
von fremden Nationen gezahlte Lehrgeld hinreichende Erfahrungen gesammelt waren. Auch die
deutsche Marine hat inzwischen erfahren müssen, dass das Unterseeboot eins der schwierigsten
Werkzeuge unserer maritimen Rüstung ist, und dass die ınhm auch im Friedensdienst drohenden
Gefahren vielseitiger und furchtbarer sind, als sie in irgendeinem anderen Zweige des Seemanns-
berufes angetroffen werden. Die Haltung der Offiziere und Mannschaften des in der Kieler Bucht
gesunkenen Bootes gab uns eine freudige und stolze Gewähr dafür, dass das deutsche Volk sich auf
seine Marine unter allen Umständen verlassen kann.
Mit dem Rechnungsjahr 1912 war die Gesamtzahl der Schiffe des Flottengesetzes in
Bau genommen .und damit der Zustand erreicht, dass für die jährlich anzufordernden Schiffe
nur noch Ersatzbauten in Frage kamen. Gleichzeitig waren durch die bereits mehrere Jahre
andauernden Übungen vollwertiger Schiffe in den im Gesetz vorgesehenen Verbänden hin-
reichende Erfahrungen gesammelt. |
Die letzteren wiesen darauf hin, noch einen weiteren Ausbau der Organisation ins Auge
zu fassen. Infolge der allgemeinen Wehrpflicht kann es unserer Flotte an ausreichenden Mann-
schaftsersatz zwar niemals fehlen, anderseits aber muss auf die Ausbildung der Ersatzmann-
schaften eine äusserst umfangreiche Arbeit verwendet werden, und alljährlich tritt ein Zeitpunkt
ein, wo nach Entlassung der Reserven die Kriegsbereitschaft der Schlachtflotte herabgesetzt
wird. Diesem Missstande sollte die zugleich mit der Heeresvorlage eingebrachte Flottennovelle
abhelfen, die unter teilweisem Verzicht auf die Reserveformationen die Indiensthaltung eines
dritten aktiven Geschwaders forderte. Diese organisatorische Massnahme erheischt eine gering-
fügige Ergänzung des gesetzmässigen Sollbestandes, während sıch an der von Anfang an fest-
stehenden Zweckbestimmung der Flotte nichts ändert. Die überwältigende Mehrheit bei der
Annahme dieser Novelle bewies, dass das deutsche Volk nach wıe vor w.llens ıst, für die
Wahrung des Friedens ın Ehren dıe von ıhm verlangten Opfer darzubringen. Ein neues Gebiet
eröffnete sich der Marıneverwaltung durch die Einbeziehung der Luftschiffahrt in die ıhr ob-
liegenden Aufgaben. Es handelte sich hier um ein Gebiet, auf dem wir den anderen Marinen
folgen mussten, und auf dem es der Voraussicht nach kein Halten mehr gibt.
Seit nunmehr 16 Jahren ıst in der oberen Leitung des Reichs-Marine- Amtes kein Wechsel
eingetreten. Unbeirrt vom Wandel der Meinungen ist ın dieser Zeit ein Werk geschaffen, auf
das die Mitarbeiter mit gerechtem Stolz und unsere maritimen Nebenbuhler mit schlecht ver-
hehltem Neide blicken. Die Geschichte der jüngsten Zeit lehrte uns augenfällig, wie die Flotte
mehr und mehr durch ıhr Schwergewicht ihren Zweck erfüllt, uns den Frieden zu wahren,
und .diese Periode rastloser Arbeit wird für alle Zeiten ın der Geschichte unserer Marine einen
ehrenvollen Platz für sich ın Anspruch nehmen.