2394 Otto Hoetzsch, Russland.
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ständigen Grundadel nur noch in geringem Masse gibt, tragen auch die konservativen Rich-
tungen in der Duma ein anderes Gepräge als sonst. Die Rechte in ıhr ist agrarisch ihren wirtschaft-
lichen Forderungen nach und demokratisch, d. h. bäuerlich nach ıhrer sozialen Zusammensetzung
und wird geführt von Priestern und Bürokraten. Die äusserste Linke kann sich infolge des Wahl-
rechts naturgemäss wenig betätigen. wıe ja auch trotz aller kapitalistischen Entwicklung die Zahl
der industriellen Proletarier im Lande ım Verhältnis zur bäuerlichen Hauptmasse noch gering ist.
Durchkreuzt werden die po itischen Parteiunterschiede, die auf solchem sozialen Untergrunde
beruhen, nun dadurch, dass Russland nıcht der Staat eines einheitlichen Volkstumes, sondern ein
Nationalitätenstaat ist. Zwar ıst die Gefahr, die oben angedeutet wurde, beschworen worden,
dass durch die Revolution der russische Staat in einen Bund lose zusammenhängender Autonomien
aufgelöst werden konnte, und zwar ist durch das jetzt geltende Wahlrecht die Masse der nicht-
russischen Nationalitäten gleichfalls des politischen Einflusses beraubt. Aber die Tatsache, dass
Russland ein Nationalitätenstaat ist, bleibt nach wie vor; die Duma zählt eine ganze Reihe nicht-
grossrussischer Abgeordneten und Parteiklubs.. Gegen diese Tatsache und die darin ruhende
Gefahr hat bei der Regierung wie in der Duma immer stärker seit 1910 eine Reaktion eingesetzt,
die man als Nationalismus bezeichnet. Unter Nationalismus wird dabei verstanden der entschiedene
Entschluss, die nichtrussischen Elemente des Reiches auch ım konstitutionellen Russland zu russı-
fizieren. Man setzt mithin in anderen Formen die bekannte alte Politik der 80 er Jahre fort gegen
Kleinrussen und Polen, gegen Tataren und Armenıer, gegen Deutsche und, nun ganz besonders
aggressiv werdend, gegen die Finnen. Dadurch dass der Ministerpräsident Stolypin sich diesem
Nationalismus ganz anschloss, wurden die politischen Verhältnisse von ıhm sehr entschieden be-
rührt und wurden auch die Parteiunterschiede umgestaltet. Ganz besonders empfand das die Mittel-
partei der Oktobristen, die, um sich in ihrer Stellung zu erhalten, immer mehr Zugeständnisse an
den Nationalismus machen mussten und darüber an Boden bei den liberalen und nichtgross-
russischen Elementen einbüssten. Auch in der 4. Duma geht dıese Entwicklung weiter und hindert
ein gedeihliches Wirken des Parlaments, wie eine klare Parteigliederung nach westeuropäischen
Begriffen.
Ohne weiteres war klar, dass die Konstitution, die 1905 auf 6 durch eine Volksbewegung
erzwungen wurde, nur eine äussere Form bleiben musste, wenn nicht mit ihr die Bahn für
eine grosse Reihe von Reformen eröffnet wurde. Mit diesen Reformen hat sıch seit 1907 die poli-
tische Arbeit beschäftigt. Sie gingen zunächst auf die Beseitigung der agrarischen Missstände,
wovon nachher zu sprechen ist, demnächst auf Reformen ın Verwaltung und Gericht und die
Begründung eines durchgreifenden Erziehungs- und Schulwesens. Auf allen Gebieten ist erhebliches
geleistet worden, wenn auch nicht soviel, als erwartet worden war. Denn die nationalistische Welle
sowohl wie die eigentliche, immer mehr erstarkende, Reaktion, dıe in dem auch umgestalteten
Reichsrat ihren Hort fand, haben bewirkt, dass von der grossen Reformtätigkeit der Duma ver-
hältnismässig nur wenig Gesetz geworden ist. Davon ist in erster Linie zu nennen das Gesetz über
das lokale Gericht vom 28. Juni 1912, das nun auch an der untersten Stelle Verwaltung und Gericht
trennt und den Beginn einer gut arbeitenden Gerichtsbarkeit an der Lokalstelle für das Land
bedeutet.
ll.
Das Wichtigste aber auf dem Gebiete der materiellen Reformen war die Agrarreform, war
doch die aktive Beteiligung der Bauern an der Revolution das eigentlich Gefährliche gewesen.
Es ist hier nicht der Raum, die russische Agrarfrage im einzelnen zu schildern. Die Reformen
Alexanders IJ. hatten lediglich die Leibeigenschaft, die Gebundenheit des Bauern an seinen Herrn,
beseitigt und hatten im übrigen den Bauern mit einem zugeringen Land-Anteile ausgestattet. Dadie
Notwendigkeit für den Staat, Getreide zu exportieren, in den folgenden Jahrzehnten immer mehr
gestiegen war und die mangelhafte landwirtschaftliche Technik den Boden ausgesaugt hatte, begann
seit Anfang der 90er Jahre jene Zeit chronischer Hungersnöte, die die moderne russische Agrar-
frage begründeten.
Das Wesen der Agrarreform der Gegenwart besteht darin, dass durch den Ukas vom 22. No-
vember 1906 und das Gesetz vom 27. Juni 1910 nun auch die Gebundenheit des Bauern innerhalb