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Paul Herre, Italien seit seinen Einheitskampfe. 331
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des Einheitswerkes gerichteten Machttendenzen, dass das 1876 zur Herrschaft gelangende erste
Ministerium der Linken Depretis diesen Bestrebungen weitgehend entgegenkam. Vergeblich waren
Bismarcks und Andrassys Versuche, Italien neue politische Ziele zu weisen undeszueiner Aktionnach
Afrika zu drängen. Die Notwendigkeit dieser Expansıon war damals bei Volk und Regierung Italiens
noch so wenig erkannt, dass Graf Cairoli, der Minister des Auswärtigen, 1877 eine Aufforderung
Tunis zu besetzen, die Andrassy im Namen Bismarcks dem italienischen Botschafter in Wien,
Grafen Robilant, unterbreitete, und einen erneuten Hinweis, der mit der Zusicherung diplomatischer
Unterstützung dem Vertreter Italiens auf dem Berliner Kongresse 1878 gegeben wurde, unbeachtet
liess. Anteil an dieser Zurückhaltung hatten auch das Gefühl der Schwäche und die Befürchtung,
dass dieser Schritt die offene Gegnerschaft Frankreichs zur Folge haben werde.
Dies Zögern Italiens sollte jedoch verhängnisvoll werden, denn nunmehr entschloss
sich Frankreich, das seit der Annektion Cyperns (1878) Englands geheimes Einverständnis
besass, sich auch der wohlwollenden Zustimmung Deutschlands versichert hatte, seinerseits von
Tunesien Besitz zu ergreifen. Es war der schwerste Schlag, der Italien treffen konnte. Tunis war
das natürliche Kolonialland Italiens, ın dem sıch Italiener schon in solcher Zahl angesiedelt hatten,
dass die grösseren Städte geradezu italienisches Gepräge besassen. Jetzt erst kam den Italienern die
Erkenntnis, eine Gelegenheit versäumt zu haben, ım Mittelmeergebiet selbst sich ausbreiten und
den überschüssigen Volkskräften den Boden zu wirtschaftlicher Betätigung zu gewinnen, und mit
Eintschiedenheit wandte man sich nun dem neuen Ziel zu, ım Gegensatz gegen das unbekümmert
vordringende Frankreich, Anteil an der Herrschaft im Mittelmeer zu suchen. Das Ministerium
Cairolı wurde gestürzt, und die Antwort auf den Vertrag von Kasr-el-Said, der 1881 Tunis den Fran-
zosen auslıeferte, war der Beitritt Italiens zum deutschösterreichischen Bündnis. Trotz aller ent-
gegenstehenden Stimmung ım Lande setzte das Ministerrum Mancını diesen Anschluss an das
mitteleuropäische Bündnissystem durch. Am 20. Mai 1883 wurde der Zweibund zu dem Dreibund,
der anfangs das staatliche Leben Europas durchaus bestimmt hat und bis auf den heutigen Tag
noch entscheidend beeinflusst.
Inhalt der italienischen Staatspolitik während der nächsten 11, Jahrzehnte war, In engster
Anlehnung an das verbündete Deutschland und Österreich für das verloren gegangene Tunis Ersatz
zu schaffen. Allerdings gelang es nicht, die beiden Verbündeten zu einer festen Bürgschaft gegen
weitere Veränderungen in den Machtverhältnissen zu gewinnen, aber man hatte die Möglichkeit,
auf Grund der Rückendeckung fest auf das Ziel loszugehen, und man tat im Sinne des Bündnisses
den folgerichtigen Schritt sich offen gegen Frankreich zu stellen. Der Gegensatz gegen dıe Re-
publik entlud sich vor allem in dem grossen Handelskrieg der Jahre 1888—1898, der dazu beitrug,
auch in wirtschaftlicher Hinsicht enge Beziehungen zu den nordischen Verbündeten herzustellen,
und es ist eine später lediglich aus politischen Gründen aufgestellte Behauptung, dass dieser Handels-
krieg Italiens Wirtschaftsleben schwer geschädigt habe. Dass die Finanzen in diesem Jahrzehnt
nicht die schnelle Gesundung erlebten, die man erwartet hatte, beruht ın dem Fiasko, das man
gleichzeitig auf kolonialem Gebiete erlitt.
Längst schon hatte man das Augenmerk auf Abessinien gerichtet; dort glaubte man das ge-
eignete koloniale Zukunftsland für Italien gefunden zu haben. Noch 1881 wurde die Bai Assab
am Ausgang des Roten Meeres besetzt und 1885 folgte die Okkupation Massauas; der Vertrag zu
Utschalli vom 2. Mai 1889 mit Kaiser Menelik brachte die Anerkennung des neuen italienischen
Kolonialbesitzes, der seit dem 1. Januar 1890 in abgerundeter Form als Colonia Eritrea festgelegt
wurde, und verschaffte den Italienern insofern vor allen europäischen Mitkonkurrenten das Über-
gewicht in Abessinien, als sich der Kaiser neben dem Zugeständnis der Handelsfreiheit verpflichtete,
sich bei Verhandlungen mit dem Inlande der Vermittlung Italiens zu bedienen. Jedoch bald ergaben
sich Konflikte mit dem energischen Menelik, und da an Stelle des früheren Kleinmuts eine verhäng-
nisvolle Überschätzung getreten war, endete der ausbrechende, durchaus ungenügend vorbereitete
Kolonialkrieg mit der Niederlage von Adua am 1. März 1896. Als Nachfolger Francesco Crispis,
der entgegen besserer Einsicht der kampfeslustigen Volksstimmung nachgegeben hatte und an dem
unglücklichen Ausgang zweifellose Schuld trägt, schloss Rudini am 26. Oktober 1896 den Frieden
von Addis Abeba, der Italien unter Aufgabe des schon besetzten Tigre nötigte von allen weiteren
kolonialen Plänen auf Abessinien Abstand zu nehmen und sich fortan auf wirtschaftliche Ausbier-