Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
362 Albrecht Wirth, Das Erwachen der asiatischen Völker. 
Kreuzzüge, dıe Mongolenflut, dıe Entdeckungs- und Eroberungsfahrten der Portugiesen, Spanier, 
Holländer, Franzosen und Engländer, weiterhin durch den Gegenstoss des Orients unter Sulaiman, 
den Sefawı, Mongulen, Mandschu und Tokugawa, endlich durch das unaufhaltsame Vordringen der 
Europäer und Amerikaner seit Napoleon bezeichnet. Den Brennpunkt westöstlicher Kämpfe in 
der Gegenwart stellt der Boxerkrieg dar. Seitdem hat sich abermals die Herrschaft der Weissen 
auf Kosten des Ostens erweitert. Zwar wurde das 1904 -eroberte Tibet von den Engländern wieder 
aufgegeben; dafür wırd Persien unter Briten und Russen aufgeteilt, Marokko fällt an Frankreich, 
Tripolis an Italien, die Nordmandschurei an Russland und es beginnt die Zerbröckelung Chinas 
und der Zerfall der Türkei. Persien wird zwischen Russland und England aufgeteilt. Damit ist 
der Gesamtorient in eine starke und akute Krisis eingetreten, wie er sie in dem Verlauf der Jahr- 
tausende noch nie ın gleicher Heftigkeit und Ausdehnung erlebt hat. 
Von Afrika besassen die Europäer gegen 1800 nur ungefähr !/,,, von Asıen dagegen, die 
Sundainseln mitgerechnet, etwa !/,. Seitdem ıst der schwarze Erdteil so ziemlich ganz, mit Aus- 
nahme Abessiniens und Liberias, in dıe Hände der Europäer übergegangen und von Asien, die 
Inseln immer mitgerechnet, haben die Weissen über dreiviertel besetzt. Erfolgreich widerstrebt 
eigentlich nur Japan. 
Die Hauptdaten in der Erschliessung des afrikanischen Orients sind die Eroberung Algeriens 
durch die Franzosen 1830, dıe Besetzung der Fulbeländer durch eben dieselben in den 50er Jahren, 
die Gründung des Kongostaates 1879/85, die Eroberung von Tunis 1881, die englische Festsetzung 
in Ägypten 1882, die britische Herrschaft in Rhodesien seit 1887/9, die italienischen Versuche in 
Abessınıen, das deutsche Kolonialreich 1884—85, die britische Bezwingung des Ost-Sudans seit 1896, 
die Einverleibung Marokkos durch Frankreich seit 1900/1907, endlich der Handstreich auf Tripolis. 
In Asien gehen die heutigen Entwürfe der Europäer bis ins 15. Jahrhundert zurück. Nämlich bis zur 
Fahrt Vasco da Gamas und zu dem ersten Vordringen der Russen in Sibirien. Portugiesen und 
Spanier fassten in Südasien Fuss. Weitere Epoche machte die Befestigung der-russischen Herr- 
schaft in Nordasien seit 1590 und die Niederlassung der Holländer auf den Sundainseln seit 1619. 
In der Napoleonischen Zeit errangen die Engländer die Vorherrschaft über Indien. Seit derselben 
Zeit kann man von französischen Interessen in Indochina reden. Die bewusste und erfolgreiche 
Erschliessung Ostasiens beginnt 1839; mit dieser Tatsache wollen auch wir hier einsetzen. 
Ostasien hatte sich gegen die Weissen hermetisch abgeschlossen. Es war das einfach Notwehr 
gegenüber den Angrifisabsichten der Europäer. Weder Mandschu noch Tokugawa waren an sıch 
fremdenfeindlich, aber sie glaubten einzusehen, dass ihren Ländern durch völlige Absperrung gegen 
aussen am besten gedient wäre. Am heitigsten war der Hass gegen die Fremden bei der japanıschen 
Regierung. Selbst ein Sohn des Landes wurde von diesem Hass verfolgt, denn er durfte, wenn er 
auch nur durch einen Sturm ıns Ausland verschlagen war, in die Heimat nicht zurückkehren oder 
wurde, tat er es dennoch, hingerichtet. Seit 1637 war die Absperrung in Japan vollkommen durch- 
geführt. Korea und die Ljukju schlossen sich diesem Vorgange an. In China konnte man schon 
der Lage des Reiches halber die Abschliessung nicht ganz so verwirklichen, wie bei den nordöst- 
lichen Nachbarn. Und eın Handel der Chinesen mit Hinterindien und Inselasien, sowie mit Mexiko 
hat eigentlich nie völlıg aufgehört. Nur eins wollte man auch in China nicht erlauben, die Nieder- 
lassung von fremden Kaufleuten oder Gesandten auf dem Boden des indischen Reiches. Der Opium- 
krıeg des Jahres 1839/40 legte endlich Bresche in die ostasiatische Welt. Der Anlass dazu war 
nichts weniger als rühmlich. Von Indien, namentlich von der Gegend des mittleren Ganges aus, 
wurden ungeheure Mengen von Opium nach China ausgeführt. Die britische Regierung hatte davon 
einen jährlichen Nutzen, der manchmal bis auf 600 Millionen Mark stieg. Nun wollten die Chinesen 
sıch entweder nıcht weiter verseuchen lassen oder aber sie wollten selbst den Gewinn von dem Anbau 
und Verkauf des Opiums ernten und verboten deshalb die Einfuhr der indischen Frucht. Die Eng- 
länder aber sandten mehrere Kriegsschiffe vor Kanton, bombardierten die Stadt und zwangen 
das Reich der Mitte zu einem Vertrag, der nicht nur die Opiumeinfuhr aus Indien wiederherstellte, 
sondern auch 3 chinesische Häfen für die Europäer öffnete. 
Im Jahre 1853 begannen die Russen, sich der Amurländer zu bemächtigen, und der nord- 
amerikanische Admiral Perry erschien vor Jokohama, um einen Handelsvertrag mit den Vereinigten 
  
  
  
 
	        
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