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Schachner - Riess, Japans wirtschaftliche und soziale Reform.
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Verschlechterung der Lage für Japans Vormachtstellung in Korea keinen Zweifel. Nachdem sich
dıe japanısche Regierung ım Januar 1902 durch das Bündnis mit England eine Rückensicherung
verschafft hatte, verlangte sie ın St. Petersburg die Räumung der Mandschurei in drei halbjährigen
Etappen, und als diese nicht ınnegehalten wurden, begannen im Juli 1903 die ‚ernsten Ver-
handlungen‘ auf der Basıs von Vorschlägen, durch dıe die Mandschurei als russische, und Korea als
japanısche Interessensphäre anerkannt werden sollten. Aus den Schwierigkeiten, die Russland
machte, entsprang der Krieg, der am 8. Februar 1904 begann und erst im August 1905 nach
vollständigem Siege der Japaner zu Wasser und zu Lande durch den von den Vereinigten Staaten
vermittelten Frieden von Portsmouth beendet wurde. Dadurch gewann Japan nicht nur die Ober-
herrschaft ın Korea, sondern auch die russischen Pachtrechte und Eisenbahnbauten in der Süd-
Mandschurei, dıe Hälfte der Insel Sachalıin, (Jap. Karafuto) und wichtige Fischereigerechtig-
keiten im ochotzkischen Meere. Allerdings musste Japan auf jede Kriegsentschädigung verzichten
und daher die Kriegsanleihen im Betrage von etwa 1550 Millionen Yen (3!/, Milliarde M.) weiter
verzinsen. Die vom Landtag mit Begeisterung angenommenen ‚Kriegssteuern‘‘ mussten auch
ım Frieden beibehalten werden. Die Staatsschuld, die beim Anfang des Krieges 562 Millionen Yen
betragen hatte, erhöhte sich, nachdem auch die Eisenbahnen gegen Schuldscheine über 518
Millionen verstaatlicht worden waren, ım Budget des Jahres 1910 auf 2664 Millionen Yen, der
Schuldendienst des Staates von 40 Millionen auf 194 Millionen. Gegen die Zeit vor dem Kriege
haben sich die Endziffern des Staatshaushalts verdoppelt; sie balanzierten in Ein-
nahme und Ausgabe 1911 bis 12 um rund 574 und 1912 bis 13 um rund 576 Millionen Yen.
Aber es war Japan auch geglückt, während des Krieges seine Goldwährung aufrecht zu er-
halten und nach dem Frieden seinen Kredit an den Hauptbörsen des Auslandes wesentlich zu er-
höhen. Zugleich war die Grossmachtstellung Japans dadurch anerkannt worden, dass England,
Frankreich, Deutschland, Russland und die Vereinigten Staaten ihre Gesandtschaiten 1 ın Tokio zu
Botschaften erhoben.
Um den neuen Aufgaben seiner Grossmachtstellung gerecht zu werden, sah sich der
Staat in noch höherem Grade als irüher zu Eingriffen ins Wirtschaftsleben genötigt. Es kam der
Regierung darauf an, in dem erweiterten Machtgebiet eine nationale Wirtschaftspolitik zu befolgen,
durch die sich die Untertanen möglichst weitgehend mit dem Rohmaterial für ihre Bedürfnisse ver-
<ehen, für ihre Arbeitskraft durch ein gesichertes Absatzgebiet gute Verwendung und zugleich durch
möglichst umfangreichen Export Gewinn aus dem Auslande erzielen konnten. Man fasste deshalb
dıe neugewonnenen Länder Formosa nebst den Pescadores, Korea und das südliche Sachalın als
Kolonien unter einer einheitlichen Verwaltung zusammen und stellte ihm das übrige Japan als
„eigentliches Japan“ gegenüber. In dem Pachtgebiet der südlichen Mandschurei, das man von Russ-
land übernommen hatte, galt es vor allem die Bedeutung der Eisenbahn für den Weltverkehr zu
heben und durch gute Verbindungen mit dem verlängerten koreanischen System diese äusserste
Verteidigungsgrenze des eroberten Gebiets näher an das Inselreich heranzurücken. Aber zugleich
sah man ın der Vermehrung der Produktion in den eroberten Gebieten die wichtigste Vorbedingung
zur Hebung des Wohlstandes auch der Bevölkerung des insularen ‚eigentlichen Japans“.
Regierung und Parlament hatten sich noch in der Begeisterung des Sieges das hohe Ziel
gesetzt, die schwere Schuldenlast, die man während des Krieges angehäuft hatte, durch einen
Tilgungsfond innerhalb von 30 Jahren vollständig abzutragen. Um das zu ermöglichen und zugleich
dıe neuen militärischen Aufgaben, die der grosse festländische Besitz dem Inselreiche auferlegte, zu
erfüllen, rechnete man auf einen neuen Aufschwung des Wirtschaftslebens, der den nach dem
chinesischen Kriege noch weit übertreffen sollte. Weilaber diesmal die spontane Unternehmungs-
lust der Bevölkerung lange auf sich warten liess, gab die Regierung den Anstoss und übernahm die
Führung. Das Programm des Finanzministers Sakatani rechnete mit allen Möglichkeiten, die
Erwerbstätigkeit zu heben, Geld ins Land zu ziehen und im Lande zu behalten, damit die schweren
Lasten, die man dem Volke auferlegen musste, auch ertragen werden konnten. Man rechnete dabeı
sehr optimistisch mit den Ausbeutungsmöglichkeiten in den Kolonien, den reichen Wasserkräften
des Landes, die sich, weil sie im Winter nicht zufrieren, zur Elektrisierung besonders eignen, den
billigen Arbeitslöhnen, die der Industrie zur Verfügung standen und den reichlichen Ersparnissen, die