Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

An 
Schachner - Riess, Japans wirtschaftliche und soziale Probleme. 381 
Es übertrifft an Einwohnerzahl das Deutsche Reich, und wenn wir die südliche Mandschurei hinzu- 
rechnen, auch dıe Bevölkerung Frankreichs und aller seiner Kolonien.%;; Nach der beifolgenden 
statistischen Tabelle 
  
  
  
      
  
Fläche Bevölkerung 1912 
ın Quadratkilometer 1911 
Alt-Japan 382 415 51 591 342 52 200 679 
Korea 218 650 13 125 027 13 461 299 
Formosa 34 974 8 392 063] 
Peskadoren 201 26 966] 3 223 613 
Japanisch-Sachalın 43 017 35 823 43 273 
Kwantung ö 3 150 462 399 488 089 
673 407 68 633 620 69 437 019 
      
ergäbe sich von 1911 auf 1912 ein Bevölkerungszuwachs von 800 000 Einwohnern; doch ist dabei 
zu berücksichtigen, dass die amtlichen Schätzungen für das letzte Jahr sehr vervollständigt worden 
sind, so dass vielleicht nicht vıel mehr als eine halbe Million den tatsächlichen Verhältnissen ent- 
spricht. Davon kommt auf Altjapan an Areal etwas über die Hälfte, an Bevölkerung ?/, der Gesamt- 
zahl. Der auswärtige Handel dieses ganzen Gebietes erreicht aber kaum den Wert von 23/, Milliarden 
M. und davon kommen 2 Milliarden, also weniger als der achte Teil des deutschen Ausfuhrhandels, 
auf Altjapan. Was die Regierung tun konnte, um in den neugewonnenen Besitzungen die geringe 
Kaufkraft der Bewohner zu entwickeln, um sie zu Abnehmern der japanischen Industrie zu machen, 
ist geschehen. Vor allen Dingen ist das ganze Gebiet durch die Einführung der japanischen Gold- 
währung wirtschaftlich geeinigt und an den Weltverkehr angeschlossen worden. Durch Noten- 
banken zur Regelung des Geldumlaufs, durch Telegraphen- und Eisenbahnbauten, durch Dampfer- 
linien, Hafenbauten, Flussregulierungen und Kabel ist der Verkehr gehoben und durch Staats- 
unterstützung die Pionierarbeit der Erwerbsgesellschaften nach Möglichkeit beschleunigt worden. 
Da aber die natürlichen Produktionsbedingungen ın den neuen Besitzungen denen Altjapans sehr 
ähnlich sind und die ins Gesicht fallenden Importartikel im wesentlichen auch dort die Stapelartikel 
der modernen Industrie, besonders der Textilindustrie ausmachen, so musste Japan, wenn es 
seine Eroberungen seiner eigenen Volkswirtschaft nutzbar machen wollte, gerade auf diesem Gebiete 
mit Europa und Amerika konkurrenzfähig werden. Weil nun für billige Massenartikel, wie siein den 
japanischen Kolonien hauptsächlich Absatz finden, eine ins Grosse gehende und darum ökonomische 
Herstellung nur dann möglich ıst, wenn man ein sehr umfassendes Ländergebiet als Markt im Auge 
hat, so rechnet man auch in Japan mit der Möglichkeit, mıt den wichtigsten Erzeugnissen der neuen 
Industrie in dem volkreichen benachbarten China, ın Hinterindien und ın Siam neben den euro- 
päischen und amerikanischen Erzeugnissen aufkommen zu können. Die rascheste Förderung der 
auf Export angewiesenen neubegründcten Fabriken war also ın der volkswirtschaftlichen Situation 
nach dem japanisch-russischen Kriege für das Inselreich begründet. Der neue Zolltarıf, der am 
7. Juni 1911 ın Kraft trat, diente ın erster Linie den Bedürfnissen und Wünschen der auf dem 
asiatischen Markte aussichtsvollen japanischen Industrien nach Schutzzoll ım eigenen Lande, um 
zunächst den inneren Markt erobern und dann auch auf neutralen Märkten konkurrieren zu können. 
Auch die Küstenschiffahrt erlangte durch die neuen Handelsverträge die Privilegierung für die 
japanısche Flagge. 
Vor allen Dingen rechnete man mit dem Vorteil der billigen Arbeitslöhne gegenüber der 
ausländischen Konkurrenz. Um den Fabrikanten in dem schwierigen Anfangsstadıum ihres Kampfes 
mit der ausländischen Konkurrenz entgegenzukommen, verschob man die dringend notwendige 
Wohlfahrtspflege und Schutzgesetzgebung für dıe industriellen Arbeiter, einschliesslich der Frauen 
und jugendlichen Arbeiter. Auch für die internationalen Abmachungen über gesetzlichen Arbeiter- 
schutz, die in Bern ihr Bureau haben, war die japanische Regierung aus Rücksicht auf ıhre Fabrı- 
kanten nicht zu gewinnen. Die Mehrheit des Parlaments war bis jetzt immer noch arbeiterfeindlicher 
als die Regierung. Sie hat auch in dem sehr bescheidenen Gesetz betreffend die Arbeit in Fabriken 
  
  
  
  
 
	        
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